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Zerrissenes Herz (German Edition)

Zerrissenes Herz (German Edition)

Titel: Zerrissenes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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versucht, als Schauspielerin groß rauszukommen, und nicht einmal so getan, als wäre sie erfreut gewesen, Julian wieder in ihrem Leben zu haben. Unglücklicherweise hatte Julians Vater ihnen durch seinen stillen Tod mitten in der Nacht keine Wahl gelassen.
    Innerlich verbrannt von Einsamkeit und Trauer, war Juliangezwungen gewesen, nach Kalifornien zu ziehen. Dort war er durch seine Jugend gerast, fest entschlossen, sich selbst zu zerstören. Er war waghalsig durch den Tag geschlittert, hatte Risiken auf sich genommen und war immer wieder in Schwierigkeiten geraten, war immer nur einen Schritt vom Jugendknast entfernt gewesen. Nach dem Abschluss der Junior-High hatte seine verzweifelte Mutter ihn ins Camp Kioga geschickt, dieses Mal, damit er seinem Bruder bei der Renovierung half.
    Hätte es jenen Sommer nicht gegeben, wäre Julian vermutlich vollends auf die schiefe Bahn geraten. Doch stattdessen war es der Sommer mit Daisy Bellamy geworden.
    Die Realität hatte ihn wieder, als ein Eimer kaltes Wasser über ihm ausgeschüttet wurde. Der komische Geruch von Starkstrom – eher ein Gefühl als ein Geruch – vermischte sich mit dem beißenden Gefängnisgeruch. Ein Sabberfaden war bis auf sein Hemd hinuntergelaufen.
    „Hast du dich je gefragt, ob eine Lähmung mit Elektroschocks geheilt werden kann?“, fragte der Kerl, der die Stromzufuhr regulierte. „Ich habe schon mal einen toten Frosch gesehen, der mit Strom wiederbelebt worden ist.“ Er riss am Bund von Julians Hose und zuckte zurück, als er den Katheter freilegte, der den Urin in einem Beutel sammelte. „Guter Gott, was ist das?“
    „Das musst du schon entfernen, wenn du ihm einen Stromschlag in die Genitalien verpassen willst“, sagte jemand lakonisch.
    Julian dachte, er würde halluzinieren. Francisco Ramos? Er bewegte sich nicht und gab auch sonst kein Zeichen des Erkennens von sich. Er fragte sich, was Ramos, der Partner, den er während der Mission hatte zurücklassen müssen, hatte durchmachen müssen, um Teil dieser Operation zu werden. Ihre Blicke trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde.
    „Das ist ja widerlich“, erwiderte der Folterknecht. „Vergiss es.“
    „Er hat da sowieso kein Gefühl“, erklärte Ramos. „Deshalb kann er ja auch nicht alleine pissen.“
    Aufs Klo zu gehen war Julians letzte Sorge. Seit sein Vater nachdem Unfall und bis zu seinem Tod im Rollstuhl hatte sitzen müssen, waren diese Umstände für Julian nichts Ungewöhnliches.
    Und wo zum Teufel steckst du nun, du Genie, fragte er sich. In einem Loch irgendwo im Dschungel, als Gefangener ohne Hoffnung auf Gerechtigkeit. Das hatte er von seinem Versuch, der Gute zu sein, davon, dass er zum Militär gegangen war. Rückblickend dachte er, dass er als jugendlicher Delinquent besser dran gewesen wäre.
    Der Gedanke erfüllte ihn mit einer gewissen Heiterkeit. Eine andere Überlebenstaktik. Wenn man sich noch seinen Humor oder zumindest ein wenig Ironie bewahrt hatte, bestand noch Hoffnung.
    Eine weitere Taktik hieß selbst geführte Fantasiereise. Man schickte seinen Geist auf eine Reise an einen besseren Ort. Das war der Teil, wo Daisy ins Spiel kam. Julian hatte die Fähigkeit entwickelt, ihr Bild bis ins kleinste Detail vor seinem geistigen Auge heraufzubeschwören – den Schatten ihrer Wimpern auf ihren Wangen, die Form ihrer Fingernägel, den Klang ihres Lachens, die Art, wie ihr Lächeln seine Stimmung hob, sobald er den Raum betrat, den Duft ihrer Haare, wenn sie den Kopf an seine Brust lehnte. Er dachte täglich so an sie, denn er wollte nicht, dass sie ihm langsam, aber sicher Stück für Stück entglitt.
    Sie war die große Liebe seines Lebens. Das wusste er mit absoluter Sicherheit. Er hatte es in dem Moment gespürt, als er sie das allererste Mal gesehen hatte – wunderschön und aufgewühlt, ein wenig arrogant und mit einer ziemlich negativen Einstellung. Aber selbst da war ihre Lieblichkeit durchgesickert, die sie genauso wenig unterdrücken konnte, wie sie das Aufgehen der Sonne hätte verhindern können.
    Daisy. Sie war der einzige Grund, warum er überhaupt noch jeden Morgen die Augen öffnete. Der Grund, warum er den nächsten Atemzug tat. Sie war der Grund, aus dem er einen Ausweg aus dieser Hölle finden würde.
    Er stellte sie sich jetzt an ihrem Lieblingsort vor, wie sie auf dem Steg am Willow Lake entspannte. Sie stützte sich auf diesonnengebräunten Arme, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und hielt das Gesicht der Sonne entgegen. Ihr

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