Zerrissenes Herz (German Edition)
Manchmal, wenn Logan zu seinen Meetings ging, verspürte sie einen Hauch von Genervtheit, gleich gefolgt von Schuldgefühlen. Er brauchte die Kameradschaft, um trocken und clean zu bleiben. Sein Leben hing davon ab. Sie fragte sich manchmal, was er da wohl erzählte, was da vor sich ging. Entschlossen verdrängte Daisy den Gedanken.
„Ich muss mich jetzt umziehen.“ Er ging nach oben.
Daisy tauschte ihre Pumps gegen Flip-Flops und stieß einen langen Seufzer aus. Irgendetwas beunruhigte sie, ohne dass sie sagen konnte, was. Sie versuchte, das Gefühl zu analysieren. War es Unzufriedenheit? Frustration?
Das Leben war verwirrend. Die Ehe war verwirrend. Wie war es möglich, dass man genau das Leben führte, von dem man glaubte, es haben zu wollen, und trotzdem diese Sehnsucht nach etwas anderem verspürte?
Sie wanderte hinüber zu der kleinen Ecke neben der Küche, die ihr als Büro diente, und schaltete den Computer ein. Irgendwo auf dem Weg hatte sie dieses aufregende Gefühl verloren, das sich sonst beim Gedanken an ihre Arbeit immer eingestellt hatte. Sie genoss die Sicherheit und Vorhersehbarkeit der Aufträge von Wendela’s Wedding Wonders. Sie hatte viel gelernt. Aber es gab keinen Zweifel, dass die Hochzeitsfotografie all ihre Zeit in Anspruch nahm und ihre kreative Energie raubte.
Der Kalender zeigte mehrere anstehende Hochzeiten an. In der Mitte der Woche prangte ein grau schraffierter Kasten. „Mist“, murmelte Daisy.
„Was ist los?“ Logan kam herein. Er trug jetzt seine Fußballshorts, das Trikot und die Schienbeinschützer. Die Schuhe mit den Stollen hielt er in der Hand. Eine Sekunde lang ähnelte er dem Jungen, der er in der Highschool gewesen war – frech und sich seiner selbst sicher, der Traum aller Mädchen.
„Die Deadline für den MoMA-Fotowettbewerb ist diese Woche. Ich habe nicht weiter an meinem Portfolio gearbeitet, und es ist noch nicht einmal ansatzweise fertig.“ Sie ließ sich enttäuscht auf den Stuhl sinken.
„Ist das nicht der Wettbewerb, bei dem du schon mal eine Absage bekommen hast?“
„Na ja, wenn du es so sagst …“
„Ich wollte damit gar nichts sagen. Es kommt mir nur so vor, als wenn du dir unendlich viel Mühe und Arbeit machst, um deine Bilder zusammenzustellen, und für was?“
„Für … die Chance. Ich werde jedes Jahr besser. Zumindest glaub ich das. Die Ausstellungen und Wettbewerbe sind eine Möglichkeit, das zu messen. Und der vom MoMA ist der Größte von allen.“
„Für mich scheinen sich die ganze Arbeit und der Stress nicht zu lohnen.“
„Für mich schon.“
„Wenn du weniger Zeit damit verbringen würdest, mit deinen Fotos herumzumachen und dich stattdessen mehr um Charliekümmertest, würde er sich vielleicht besser benehmen.“
„Du willst damit nicht sagen, dass meine Arbeit seine Probleme verursacht, oder?“ Ein kalter Knoten bildete sich in ihrem Magen.
„Deine Arbeit?“ Er schaute skeptisch auf den Bildschirm, dann beugte er sich vor und öffnete einen Ordner, um all ihre Portfolios der letzten Jahre zu zeigen. Er klickte auf eine Serie von Porträts von Julian, die sie direkt nach seinem Antrag von ihm gemacht hatte. „Das nennst du Arbeit?“, fragte Logan.
„Hey …“
„Du hängst immer noch an ihm.“
„Er ist tot, Logan.“ Sie hasste ihn dafür, dass er sie zwang, es laut auszusprechen.
„Als wenn ich das nicht wüsste.“
„Dann wirf mir nicht vor, immer noch an ihm zu hängen.“
„Ich sag nur, wie es ist. Du liebst mich nicht so, wie du ihn geliebt hast. Mit einem Geist kann ich einfach nicht mithalten.“ Er machte eine ungeduldige Handbewegung in Richtung Monitor. „Er ist perfekt. Er wird dir nie wehtun oder dich enttäuschen, niemals etwas vermasseln, nie alt oder fett werden.“
„Er ist eine Erinnerung , Logan. Du bist mein Ehemann.“
„Ja, nur fühlt es sich in letzter Zeit mehr an, als wäre ich dein Mitbewohner“, gab er schnippisch zurück.
„Und wessen Fehler ist das?“, konterte sie ebenso gereizt. „Warum streitet ihr?“ Charlie kam zu ihnen. „Ihr seid immer nur am Streiten.“
„Ach, Herrgott noch mal“, sagte Logan genervt. „Niemand streitet sich.“
„Achte auf deine Wortwahl“, entfuhr es Daisy, bevor sie sich zurückhalten konnte.
„Wenn man böse Sachen sagt, ist das streiten“, erklärte Charlie. Er legte einen Arm um Blake und funkelte seine Eltern an. „ Vorher war es mit euch viel lustiger.“ Er stapfte davon, den Hund dicht an seiner
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