Zerrissenes Herz (German Edition)
…“
„Charlie.“
Sie erreichten die streitenden Jungen, gerade als das Schubsen in Schlagen überging. Logan hob Charlie hoch und trug ihn weg.
„Was zum Teufel war hier los?“, wollte er wissen.
„Er hat angefangen.“ Charlies Gesicht war so rot, wie Daisy es nur ganz selten sah.
„Komm, suchen wir uns einen Platz, wo wir reden können.“
Sie setzten sich in den Schatten unter einem Baum. Die Rosskastanien hatten ihre Früchte abgeworfen, und überall lagen die grünen, stachligen Kugeln verteilt. Charlie nahm eine auf und warf sie wütend weg.
„Hey“, ermahnte Logan ihn. „Beruhig dich wieder!“
„Was ist los?“, fragte Daisy.
„Er hat angefangen.“
„Das sah für mich aber ganz anders aus. Ich habe gesehen, dass ihr zwei euch angeschrien habt. Und dann hast du ihn geschubst.“
Charlie machte dicke Backen. „Aber er hat trotzdem angefangen.“
„Also ganz von vorn“, schlug Logan vor. „Wer ist er, und womit hat er angefangen?“
„Brandon Wilkes. Er ist in meiner Klasse.“
Großartig, dachte Daisy. Misha Wilkes’ Sohn. Misha hatte bei allem an der Schule das Sagen – sie war Präsidentin des Eltern-Lehrer-Ausschusses, Vorsitzende der Schulbuchmesse und des Komitees zur Förderung Hochbegabter sowie vermutlich einem Dutzend weiterer Organisationen, von denen Daisy noch nie etwas gehört hatte. Misha war genau die Art Frau, die man nicht zur Feindin haben wollte.
„Und womit hat Brandon angefangen?“, hakte Daisy nach.
„Er hat mich einen Spasti genannt“, platzte es aus Charlie heraus. Ihm zitterte das Kinn. Daisy sah, wie sich seine Wut langsam in Schmerz verwandelte.
„Das ist ein vollkommen unangemessenes Wort, das man in unserer Familie nicht benutzt“, sagte sie.
„Brandon hat es aber zu mir gesagt.“
„Es ist nur ein dummes Wort.“ Logan schien die Situation vollkommen zu verwirren. „Ehrlich. Wenn du so einen Sch… Schmutz hörst, musst du einfach gehen.“
„Er hat es ganz oft gesagt“, berichtete Charlie. „Er sagte, ich bin der Dümmste in der Klasse und werde bestimmt nicht versetzt und muss dann auf eine besondere Schule gehen. Er hat es immer und immer wieder gesagt.“
Daisy wurde immer schwerer ums Herz. Sie dachte an den Brief der Lehrerin. Hatte es in der Schule auch einen handfesten Streit gegeben?
„Es ist egal, wie oft er es sagt“, schaltete Logan sich ein. „Dumusst es trotzdem ignorieren und weggehen.“
„Dann hätte er mich einen Feigling genannt“, fuhr Charlie fort.
„Das sind doch nur Worte, Kumpel. Die musst du an dir abprallen lassen. Wenn das hier ein Fußballspiel wäre, hättest du jetzt die Rote Karte gesehen.“
„Womit wir auch schon bei den guten Neuigkeiten wären“, sagte Daisy, bevor sie sich zu weit vom Thema entfernten. „Ich werde dir weder eine Rote Karte noch sonst irgendeine Strafe auferlegen.“
Charlie schaute sie ungläubig an. Das entsprach so gar nicht ihrem sonstigen Verhalten, wenn er etwas angestellt hatte.
„Aber es gibt auch eine schlechte Nachricht“, fügte sie hinzu. „Es ist nicht schlimm, aber du musst es wie der große Junge nehmen, der du ja schon bist.“
„Was meinst du?“ Misstrauisch runzelte Charlie die Stirn. „Wir suchen jetzt gemeinsam Brandon, damit du dich entschuldigen kannst und ihr euch die Hand geben könnt.“ Sie suchte in Logans Blick nach Zustimmung. Er hob fragend die Augenbraue.
„Niemals.“ Charlie lief wieder rot an. „Das kann ich nicht.“
„Du kannst, und du wirst.“
„Nein. Er hat angefangen. Es tut mir nicht leid, dass ich ihn geschubst habe. Ich hätte ihm auf die Nase hauen sollen.“ Er trippelte von einem Fuß auf den anderen.
„Ich sag dir was“, meinte Logan. „Dieser Junge, Brandon, klingt für mich wie ein echter kleiner Scheißer.“
Charlies Augen glänzten. „Das ist er auch. Er ist ein Scheißer.“
„Hey“, rief Daisy die beiden zur Ordnung.
„Wie auch immer“, fuhr Logan fort. „Es gibt nur eine Art, mit solchen Kindern umzugehen. Du gehst hin und entschuldigst dich ganz nett und gibst ihm die Hand, wie deine Mom es gesagt hat. Du wirst schon sehen. Das wird ihn verrückt machen, und dann sieht die ganze Welt, dass er ein kleiner Scheißer ist.“
„Das kann ich nicht“, wiederholte Charlie, aber sein Widerspruchklang schon ein wenig schwächer.
„Wenn du groß genug bist, um einen Streit anzufangen, bist du auch groß genug, um ihn zu beenden. Er steht da drüben bei seiner Mutter.“ Daisy nahm
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