Zerrissenes Herz (German Edition)
Seite.
„Wie auch immer“, sagte Logan. „Ich bin weg.“
Während Daisy ihm hinterhersah, spürte sie, wie sich ihr Kiefer vor Frustration verspannte. Vorher. Sie konnten nicht über Julian sprechen, ohne dass sie beide total die Kontrolle verloren. Im Grunde konnten sie überhaupt nicht über ihre tiefsten Gefühle sprechen, ohne sich sofort wieder voneinander zurückzuziehen.
Sie verspürte ein Brennen im Magen, als sie einen anderen Ordner auf ihrem Computer öffnete, der die Fotos enthielt, die sie einreichen wollte. Es war nur eine kleine Kollektion, und keines der Bilder war bisher zu ihrer völligen Zufriedenheit bearbeitet. Wenn sie es bis zum Einsendeschluss schaffen wollte, musste sie praktisch rund um die Uhr daran arbeiten.
Und wofür? Um wieder abgewiesen zu werden, wie Logan so schön deutlich gemacht hatte?
Was Logan nicht verstand – was niemand zu verstehen schien –, war die Leidenschaft, die sie antrieb. Das war nicht nur einfach irgendein Job für sie. Es war ein großer Teil ihres Lebens. Sie wollte als Künstlerin wachsen, ihre Geschichten durch das Auge der Kamera erzählen, die Anerkennung genießen, die dadurch kam, dass sie ihre Arbeit zeigte, gute und schlechte Kritiken sammelte.
Immer noch verletzt von Logans Worten, wechselte sie zu dem Ordner mit den Fotos von Julian zurück. Auf ihrer Festplatte war er noch am Leben, strahlend und intensiv, mit einer Leidenschaft fürs Leben, fürs Abenteuer, für sie. Der Schmerz darüber, ihn verloren zu haben, war zu einem dumpfen Pochen verebbt. Doch jetzt sein Gesicht zu sehen, das Leuchten in seinen Augen, das Strahlen seiner Persönlichkeit, brachte ihn mit aller Wucht zurück.
Sie hatte sich vorhin geirrt, als sie gedacht hatte, niemand würde ihre Leidenschaft verstehen. Julian hatte sie vom ersten Tag an verstanden. Er war der Grund, warum sie überhaupt angefangen hatte, sich so intensiv mit der Fotografie zu beschäftigen. Als sie noch Teenager gewesen waren, war es für sie ein Hobby gewesen. Julian hatte jedoch damals schon behauptet, es würde tiefer gehen, als hätte er etwas in ihr gesehen, das sie selbst noch nicht erkannt hatte.
„Danke“, flüsterte sie dem Foto zu, das sie in jenem ersten Sommer am Willow Lake von ihm gemacht hatte. Er war so faszinierend gewesen; anders als alle, die sie bis dahin kennengelernt hatte. Auf dem Bild stand er gerade oben auf dem Sprungbrett, das über den See ragte, bereit zum Absprung. Sein Haar war eine dichte Masse langer Dreadlocks, seine Augen funkelten nur so vor Aufregung.
Guter Gott, sie vermisste ihn so sehr. Solange sie lebte, würde sie nie aufhören …
„Wer ist das auf dem Bild?“ Charlie war in die Küche zurückgekehrt. Er schaute interessiert auf den großen Monitor.
„Erkennst du ihn nicht?“
Charlie zuckte mit den Schultern. „Seine Haare sind komisch. Er sieht aus wie ein Löwe.“
„Das stimmt. Das ist Julian, bevor er zum ROTC gegangen ist und sich die Haare abrasiert hat.“
„Oh. Ich mag ihn ohne Haare lieber. Kann ich was zu essen haben? Bitte“, fügte er schnell hinzu.
Sie schloss den Ordner und wurde sofort von der inzwischen so vertrauten Unruhe erfasst. Was für Träume sie für ihr Leben mit Julian gehabt hatte. Was für wunderschöne, hochfliegende Träume von ihnen dreien zusammen, wie sie gemeinsam ein Abenteuer nach dem anderen erlebten.
Charlie hatte so wenige Erinnerungen an Julian. Erinnerte er sich daran, dass Julian ihn immer zum Lachen gebracht hatte? Erinnerte er sich, dass er ihn Daddyjunge genannt und angebettelt hatte, ihm zu zeigen, wie man vom Steg ins Wasser springt?
Charlie bat in letzter Zeit nicht mehr darum, vom Steg zu springen. Er ging immer nur still und leise über die Leiter ins Wasser.
25. KAPITEL
D as fühlt sich gar nicht mehr komisch an“, sagte Daisy zu ihrer Mutter, als sie sich bei Schulschluss vor der Avalon Elementary School trafen, in die Charlie ging.
Sie hatten sich entschieden, ihre Kinder nach dem letzten Klingeln noch eine Weile zusammen auf dem Spielplatz spielen zu lassen, um selber ein wenig Mutter-Tochter-Zeit zu genießen. „Vielleicht ist das das Komische.“
Sophie lächelte. „Das Leben ist schon seltsam. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal fünf Kinder haben würde, von denen das Jüngste in die gleiche Klasse geht wie mein Enkel. Okay, du hast es geschafft, jetzt finde ich es auch komisch.“ Auch wenn Sophie Charlies stolze Großmutter war, sah sie definitiv nicht so aus. Sie
Weitere Kostenlose Bücher