Zerrissenes Herz (German Edition)
hatte einen angeborenen Sinn für Mode, der sie weder im Laufe ihrer Karriere an internationalen Gerichtshöfen noch in ihrer derzeitigen Rolle als späte Mutter verlassen hatte.
„Aber im positiven Sinn, oder?“ Daisy beugte sich vor und warf einen Blick in den Kinderwagen, in dem ihr kleiner Bruder schlief. Noah jr. wurde auch das Wunderbaby genannt. Daisys Mutter war gesagt worden, dass sie keine weiteren Kinder mehr bekommen könnte, und so hatten Noah und Sophie ein Kind adoptiert. Eines Tages hatte Sophie dann entdeckt, dass sie schwanger war. Jetzt hatte Daisy einen Halbbruder, der jünger war als Charlie.
„In sehr positivem Sinn“, bestätigte Sophie.
Daisy fühlte sich auf eine so intime Weise mit ihrer Mutter verbunden wie selten zuvor. Als ihre Eltern damals um ihre Ehe gekämpft hatten, hatte sie sich gegen Sophie gestellt und sie für das Unglück der Familie verantwortlich gemacht. Jetzt sah Daisy die Situation wesentlich klarer. Ihre Mom war einfach in der falschen Beziehung gewesen, hatte das falsche Leben gelebt, trotz all ihrer Bemühung, es richtig zu machen.
Jetzt führte Sophie das richtige Leben. Sie hatte so eine liebevolle Gelassenheit gewonnen, eine Art unterschwelliges Leuchten,das immer durchschien, egal, wie viel sie zu tun hatte. Daisy gehörte zu den wenigen, die wussten, wie schwer der Weg dorthin für ihre Mutter gewesen war.
„Wie geht es Charlie?“, fragte Sophie.
Daisys Magen zog sich zusammen. „Ich muss ein weiteres Gespräch mit seiner Lehrerin vereinbaren. Es wird einfach nicht besser mit seinen Hausaufgaben.“ Mit seinem Verhalten auch nicht, aber das sagte sie nicht. Ihre Mutter hatte genug um die Ohren, da musste sie sie nicht mit Sorgen über Charlie belasten.
„Das tut mir leid. Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Wir arbeiten daran. Charlie kämpft, und ich habe den Eindruck, dass er sein Problem wirklich in den Griff bekommen will. Aber zwischendurch macht er dann immer wieder dicht.“
„Was meinst du damit, er macht dicht?“
„Verschränkt die Arme, lehnt sich zurück. Seine Augen bekommen diesen glasigen Ausdruck, als wenn er sich in Gedanken ganz woandershin zurückzieht.“
Sophie schwieg ein wenig zu lange.
„Mom?“
„Ich kenne diesen Blick. Ich kenne ihn nur zu gut. Das klingt genau wie Max in dem Alter.“
„Das habe ich auch schon gedacht, als das Ganze anfing. All die Probleme, die Max beim Lesenlernen gehabt hat.“
Daisy erinnerte sich gut, wie hilflos und verloren sie sich als kleines Mädchen gefühlt hatte. Verzweifelt hatte sie versucht herauszufinden, wie sie das, was zwischen ihren Eltern schieflief, in Ordnung bringen konnte. Sie hatte versucht, perfekt zu sein, es hatte nicht geholfen. Sie hatte versucht zu rebellieren – das hatte nicht nur nicht geholfen, es hatte auch dazu geführt, dass sie noch minderjährig Mutter geworden war.
Auf Max hatte die Familienproblematik noch schlimmere Auswirkungen gehabt. Er war in der Schule zurückgefallen, vor allem beim Lesen. Er hatte große Schwierigkeiten gehabt, sein Temperament zu zügeln. Nichts hatte Max damals geholfen, bis Greg und Sophie sich eine Auszeit von ihrer Ehe genommen hatten, in jenemSommer am Willow Lake. Der Sommer, in dem sich für die Bellamys alles verändert hat, dachte Daisy, und ein leiser Schauer der Vorahnung überlief sie. Max hatte sich um einhundertachtzig Grad gedreht. Irgendetwas hatte Klick gemacht, und auf einmal hatte er genauso gut lesen können wie alle anderen in seiner Klasse. Er hatte aufgehört, Streit vom Zaun zu brechen, und keine Wutanfälle mehr erlitten. Er war in diesem Sommer innerlich unglaublich gewachsen. Und seine Eltern hatten in demselben Sommer die schmerzhafte Entscheidung getroffen, sich scheiden zu lassen.
Sophie schwieg weiterhin. Dann fragte sie schließlich: „Wie läuft es mit dir und Logan?“
„Was?“
„Als Paar, meine ich. Und mit euch dreien als Familie.“
„Charlie könnte nicht glücklicher sein, dass wir drei endlich eine Familie sind. Logan ist ein guter Vater.“
„Freut mich zu hören. Aber damit ist der andere Teil meiner Frage nicht beantwortet. Wie läuft es mit dir und Logan?“
„Gut, schätze ich.“ Daisy biss sich auf die Lippe und wandte den Blick ab. Dann schaute sie wieder Sophie an. Sie sprach mit ihrer Mutter, um Himmels willen! Ihr konnte sie alles erzählen. „Ich weiß, dass das keine tolle Antwort ist. Ich würde viel lieber sagen, das mit uns wäre das pure, reine
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