Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
dass es uns gelingt, sie auszutricksen. Dass sie überall und zu jeder Zeit verletzlich sind, gerade wenn sie es am wenigsten vermuten.«
»Aber wie konntest du mir das antun?«
»Nun mal halblang, Rain. Du hast dem Plan zugestimmt. Und deine Eltern auch. Die haben dich uns für die Sache übergeben, für diesen Zweck.«
»Nein«, flüstere ich. »Nie im Leben.«
»Haben sie aber. Dein richtiger Vater gehörte Free UK an. Ihm war klar, dass es in einem Land der Lorder keine Zukunft für sein oder irgendein Kind gibt.« Nico ist voller Mitgefühl. »Du wolltest die Wahrheit, das ist sie.«
Ich schließe die Augen, blende Nico und seine Worte aus, und rufe mir den Traum von letzter Nacht in Erinnerung. Dieser Mann würde seine Tochter nicht an Nico aushändigen. Nie und nimmer.
Nico legt mir die Hände auf die Schultern. »Du hast diese Entscheidung getroffen. Sie war richtig. Niemand weiß besser als du, dass man die Lorder und das Slating stoppen muss.«
»Sie müssen gestoppt werden«, flüstere ich und dabei muss ich nicht einmal lügen. Wahrheit ist Freiheit. Freiheit ist Wahrheit.
»Du wirst mich schon nicht enttäuschen.« Nico beugt sich über mich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Und denk immer daran, was sie Ben angetan haben.« Sofort flammt der alte Schmerz wieder auf. In der Zwischenzeit ist so viel passiert, dass ich eine Weile gar nicht an Ben gedacht habe.
»Ben war auch auf unserer Seite«, sagt Nico. »Er würde wollen, dass du für ihn kämpfst.«
Nico bringt mich aus dem Büro. Erst als ich draußen in den grauen Novembertag trete, geht mir die Bedeutung seiner Worte auf.
Ben auf der Seite von Free UK? Das kann Nico nur wissen, wenn er Ben angeworben hat.
Meine Hände verkrampfen sich zu Fäusten. Da gab es ein weiteres Warum, das mir nicht aus dem Kopf wollte. Warum sich Ben urplötzlich das Levo abschneiden wollte und mit dem Gedanken gespielt hat, sich Free UK anzuschließen. Darauf gibt es nur eine Antwort: Nico.
Natürlich hat er auch andere Schüler von unserer Schule angeheuert, aber warum ausgerechnet Ben? Ein Slater ist nicht gerade der beste Rekrut. Die können nichts für sich behalten und, abgesehen von Tori, haben sie auch Probleme mit Gewalt. Ben haben sie nur meinetwegen rausgepickt.
Bis spät in die Nacht liege ich wach. Finde keinen Schlaf. In mir ballt sich eine unglaubliche Wut zusammen, pocht und pulsiert heiß in meinem Herzen. Wie konnte Nico mir das antun? Ben antun? Die Wut findet kein Ventil und so wächst sie immer weiter.
Aber am Ende bleiben immer noch die Lorder. Sie und ihr Slating sind nach wie vor der eigentliche Feind. Ohne sie wäre es nie so weit gekommen. Die Lorder haben Ben geslatet und ihn verschleppt. Sie sind das Ziel. Nico knöpfe ich mir später vor.
Erschrocken fahre ich zusammen, als es an meinem Handgelenk summt. Nicos Kom, als hätte er meinen geheimen Gedanken gelauscht und würde nur den richtigen Moment abpassen. Kurz überlege ich, ihn einfach zu ignorieren, aber dann drücke ich doch auf den Knopf. »Ja?«, flüstere ich.
»Katran hier. Wir treffen uns in einer Stunde bei den Motorrädern.« Die Verbindung wird unterbrochen.
Durch die Hintertür schlüpfe ich in die Dunkelheit, hoch in den Wald. Ich grüble über so viele Fragen, auf die ich nur zum Teil eine Antwort weiß, dass die Zeit wie im Flug vergeht.
Wozu dieses Treffen? Vielleicht hält mich Nico nun doch für ein zu hohes Risiko und schickt jetzt Katran, um mich auszuschalten. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke, was Katran getan hat. Und was er ist, ein blutiger Schlächter. Ein gedankenloser Mörder.
Dabei war er es doch, der mich gehalten hat, wenn ich nachts im Schlaf vor Angst geweint habe. Er, der mit ganzem Herzen daran glaubt, dass er den richtigen Weg geht, um die Lorder zu vernichten und eine bessere Welt zu schaffen.
Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich beinahe in Katran hineinrenne.
»Hi«, sage ich.
»Pass doch auf, wo du hinläufst«, zischt er. »Und sei leise, ich habe dich schon meilenweit gehört.«
»Spinn doch nicht. Was gibt’s?«
»Nico schickt mich.«
Sofort bin ich wieder auf 180, balle die Fäuste. »Und was will er?«
»Ich soll dir das hier geben, aber eigentlich will ich nicht.« Katran greift in die Tasche und zieht eine kleine Pistole hervor, die im Mondlicht glänzt. Er wird mich erschießen. Rasch mache ich einen Schritt rückwärts.
Er lacht. »Du solltest dich mal sehen! Du bist ja bescheuert. Ist
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