Zersplittert: Dystopie-Trilogie Band 2 (German Edition)
blockiert, ist er höchst illegal.
Mac schaltet ihn an und kurz darauf sehen wir die Seite von MIA mit all den vermissten Kindern.
Als ich mich bei Mac nach Robert erkundigt habe, hat er mir diesen Computer zum ersten Mal gezeigt. Mums Sohn Robert wird namentlich auf dem Mahnmal in der Schule genannt, weil er zusammen mit dreißig anderen Schülern bei einem RT-Angriff in einem Bus ums Leben gekommen ist. Mac wusste aber, dass Robert den Anschlag überlebt hat, und vermutet, dass er geslated wurde. Als Mac mir auf der MIA-Webseite gezeigt hat, wie viele Kinder in diesem Land ohne irgendeine Erklärung verschwinden, sind wir zum ersten Mal auf Lucy gestoßen – auf mich.
Aus irgendeinem Grund muss ich sie mir noch mal anschauen. Ich gebe in der Leiste Mädchen, blond, grüne Augen, 17 ein und klicke auf »Suchen«.
Mehrere Treffer erscheinen, aber ich habe sie schnell entdeckt und wähle ihr Bild, um es zu vergrößern.
Ihr Gesicht – mein Gesicht – erfüllt den Bildschirm. Lucy Connor, 10 Jahre, vermisst an einer Schule in Keswick. Schon seit sieben Jahren, aber man erkennt mich immer noch. Sie sieht richtig glücklich aus, lacht in die Kamera und hat ein graues Kätzchen auf dem Arm.
Ein Geburtstagsgeschenk.
Mir versetzt es einen Stich. Das Kätzchen war ein Geschenk zu ihrem – meinem – 10. Geburtstag.
»Alles in Ordnung, Kyla?«, fragt Mac.
Tränen verschleiern meinen Blick. Noch nie ist eine Erinnerung aus Lucys Leben einfach so in meinem Kopf aufgetaucht. Noch nie. Nur Bruchstücke in Träumen. Albträume zumeist, bis auf den Schachtraum. Doch Träume sind mit dem Unterbewusstsein verbunden. Jetzt aber bin ich hellwach. Laut Nico sollte Lucy verschwunden sein, ausgelöscht.
Mac legt seine Hand auf meine. »Was ist los?«
»Ich habe nur einen Augenblick lang gedacht, dass ich mich an etwas erinnern kann. An dieses Kätzchen.« Ich seufze. »Ich drehe wohl noch durch.«
»Hast du deine Meinung geändert, was MIA angeht?«, fragt er. Er sieht auf den Bildschirm und ich folge seinem Blick. Dort ist ein Button, auf dem »Gefunden« steht. Ein Mausklick und ich könnte herausfinden, wer Lucy vermisst gemeldet hat. Vielleicht mein Vater? Vielleicht könnten wir wieder Schach spielen?
Ich schüttle den Kopf. Nein. Mein Leben ist schon kompliziert genug und abgesehen von den wenigen Traumfragmenten kenne ich meine eigene Familie nicht. Außerdem kann ich nicht riskieren, dass Free UK oder die Lorder mich bis zu ihnen zurückverfolgen. Sie sind besser dran, wenn sie mich vermissen.
Zeit, mich um das zu kümmern, weshalb ich hierhergekommen bin. »Hast du was mit MIA zu tun?«
»Ich bin eher eine Art … Vermittler. Warum?«
»Ich hab mir überlegt, ob du Ben bei MIA einstellen könntest?«
Mac blickt mich erstaunt an. Er weiß, was mit Ben passiert ist, dass ihn die Lorder mitgenommen haben, auch wenn ihm nicht klar ist, welche Rolle ich dabei spiele. Er muss meine Idee für reine Zeitverschwendung halten und denkt vermutlich, dass es Ben sowieso nicht mehr gibt. Damit hat er wahrscheinlich auch recht.
Aber er nickt. »Natürlich. Hast du ein Foto?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein. Aber ich habe das hier.« Ich hole meine Zeichnung von Ben aus der Tasche, an der ich stundenlang gearbeitet habe, damit sie so lebensecht wie möglich ist. »Ist das gut genug?«
Er pfeift durch die Zähne. »Es ist besser als gut, es ist perfekt. Das ist Ben. Aber ich muss das Bild einscannen und ich habe keinen Scanner hier. Ich werde dafür sorgen, dass Aiden sich darum kümmert. Okay?«
Meine Abneigung gegenüber Aiden lasse ich mir nicht anmerken. »Danke« ist alles, was ich sage. Macs Freund Aiden mit seinen Happy Pills hat Ben überhaupt erst auf die Idee gebracht, sich das Levo abzuschneiden. Aiden war auch derjenige, der wollte, dass ich mich bei MIA als ›gefunden‹ melde – ein Verstoß, der für jeden Slater das sichere Todesurteil bedeutet. Mir gegenüber hat er behauptet, er sei kein Terrorist, sondern ein Aktivist, der versuche, die Dinge auf andere Art zu ändern.
Ein Nichtskönner.
Vielleicht. Aber zumindest bringt er keine Leute um. Der Gedanke an Robert hat mich an all die Schüler erinnert, die ums Leben gekommen sind. Bei einem Attentat der RT, das eigentlich den Lordern gegolten hat. Nachdem ich davon erfahren habe, hatte ich Albträume von diesem zerbombten Bus, doch ich kann unmöglich dabei gewesen sein! Ich war erst zehn, als es passiert ist.
Aber Nico könnte dabei gewesen
Weitere Kostenlose Bücher