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Zerstöre mich

Zerstöre mich

Titel: Zerstöre mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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den letzten Satz laut ausgesprochen habe, merke ich erst an Delalieus Reaktion.
    »Wir haben im gesamten Sektor Truppen eingesetzt«, sagt er. »Und wir haben auch die benachbarten Sektoren informiert, für den Fall, dass die drei die Grenzen –«
    »Was?« Ich fahre herum. Meine Stimme ist gefährlich leise. »Was haben Sie gerade gesagt?«
    Delalieu wird bleich.
    »Eine einzige Nacht lang war ich nicht bei Kräften! Und schon machen Sie diese Katastrophe in den anderen Sektoren publik –«
    »Ich dachte, Sie wollten die drei unbedingt finden, Sir, und ich dachte, wenn sie anderswo Zuflucht suchen –«
    Ich lasse mir einen Moment Zeit, um zu Atem zu kommen und meine Fassung wiederzugewinnen.
    »Tut mir leid, Sir, ich hielt es für das Sicherste –«
    »Sie ist mit zwei meiner Soldaten unterwegs, Lieutenant. Keiner der beiden ist so dumm, sie in einen anderen Sektor zu bringen. Sie verfügen nicht über die notwendigen Papiere zum Passieren der Sektorengrenzen und werden sie sich auch nicht beschaffen können.«
    »Aber –«
    »Sie sind erst einen Tag weg, sind schwer verletzt und brauchen Hilfe. Sie sind zu Fuß und mit einem gestohlenen Auto unterwegs, das leicht zu verfolgen ist. Wie weit«, sage ich erbittert, »können sie denn wohl kommen?«
    Delalieu bleibt stumm.
    »Sie haben eine nationale Warnung ausgegeben. Sie haben mehrere Sektoren informiert, was heißt, dass nun das gesamte Land Bescheid weiß. Damit also auch die Kapitole. Und was bedeutet das?« Ich balle meine gesunde Hand zur Faust. »Was glauben Sie wohl, Lieutenant?«
    Delalieu scheint es die Sprache verschlagen zu haben.
    Dann …
    »Sir«, keucht er. »Bitte verzeihen Sie mir.«

5
    Delalieu folgt mir zu meiner Zimmertür.
    »Versammeln Sie die Truppen morgen um zehn im Quadranten«, sage ich anstelle von Abschiedsworten. »Ich muss eine Ansprache halten zu den jüngsten Ereignissen und zur weiteren Vorgehensweise.«
    »Ja, Sir.« Delalieu schaut nicht auf. Seit wir vom Lagerhaus aufgebrochen sind, hat er mich nicht mehr angesehen.
    Ich habe andere Sorgen.
    Abgesehen von Delalieus idiotischem Verhalten habe ich noch jede Menge andere Dinge am Hals. Weitere Probleme kann ich mir nicht erlauben, und ich darf mich nicht ablenken lassen. Nicht von ihr. Nicht von Delalieu. Von niemandem. Ich muss mich konzentrieren.
    Es ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für eine Verletzung.
    Die Bevölkerung des gesamten Landes ist jetzt über unsere Lage im Bilde. Wir müssen die Gerüchte so gut wie möglich eindämmen. Es muss mir gelingen, Delalieus Warnmeldung zu entkräften und beginnende Aufstände im Keim zu ersticken. Die Zivilisten sind bereits in Aufruhr und werden sich durch Anzeichen von Widerstand gestärkt fühlen. Viele sind schon umgekommen, aber sie scheinen noch immer nicht zu begreifen, dass sie genau das geradezu herausfordern, wenn sie sich dem Reestablishment widersetzen. Und ich brauche unbedingt Ruhe in der Zivilbevölkerung.
    Ich will keinen Krieg in meinem Sektor.
    Mehr denn je muss ich mich selbst und meine Aufgaben im Griff behalten. Aber mein Geist ist aufgewühlt, mein Körper verletzt und erschöpft. Schon den ganzen Tag bin ich kurz vorm Zusammenbrechen, und ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe keine Ahnung, wie ich meine Situation verbessern kann. Eine solche Schwäche kannte ich bislang nicht.
    In nur zwei Tagen hat ein Mädchen es geschafft, mich außer Gefecht zu setzen.
    Ich habe noch mehr von diesen widerwärtigen Pillen geschluckt und fühle mich trotzdem schwächer als am Morgen. Ich hatte geglaubt, den Schmerz und die Behinderung ignorieren zu können, merke nun aber, dass ich zur Gänze abhängig sein werde von allem, was mich durch diese nächsten frustrierenden Wochen bringen kann. Medikamente, Ärzte, Bettruhe.
    Und das alles wegen eines Kusses.
    Absolut unerträglich.
    »Ich werde den Rest des Tages in meinem Büro sein«, sage ich zu Delalieu. »Lassen Sie mir Mahlzeiten schicken und stören Sie mich nur, wenn es neue Entwicklungen gibt.«
    »Ja, Sir.«
    »Das ist alles, Lieutenant.«
    »Ja, Sir.«
    Wie krank ich mich wirklich fühle, wird mir erst bewusst, als ich die Zimmertür hinter mir schließe. Ich schleppe mich zum Bett und muss mich daran festhalten, damit ich nicht umfalle. Ich schwitze wieder heftig und will den Mantel loswerden, den ich draußen getragen habe. Reiße den Blazer herunter, den ich mir morgens zur Hälfte übergezogen hatte, und sinke aufs Bett. Plötzlich ist mir eiskalt,

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