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Zerstöre mich

Zerstöre mich

Titel: Zerstöre mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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und ich drücke mit zitternder Hand den Rufknopf für die Ärzte.
    Ich muss den Verband wechseln lassen. Muss etwas Nahrhaftes essen. Und vor allem muss ich unbedingt richtig duschen, was mir im Moment aber unmöglich erscheint.
    Jemand beugt sich über mich.
    Ich blinzle mehrmals, kann nur Umrisse erkennen. Ein Gesicht erscheint, ist aber so verschwommen, dass ich aufgebe. Meine Augen fallen zu. Mein Kopf hämmert. Schmerz tobt in meinen Knochen, kriecht hinauf zum Hals; unter meinen Lidern zerrinnen Farben, Rot und Gelb und Blau. Gesprächsfetzen dringen an mein Ohr.
    – scheint Fieber zu haben –
    – müssen ihm ein Beruhigungsmittel geben –
    – wie viele hat er genommen? –
    Mir wird klar, dass sie mich umbringen werden. Das ist die perfekte Gelegenheit. Ich bin geschwächt und kann mich nicht wehren, und nun wird mich jemand töten. Es ist so weit. Der Moment ist gekommen. Und ich will es nicht akzeptieren.
    Ich schlage nach den Stimmen; ein unmenschlicher Laut dringt aus meiner Kehle. Etwas Hartes trifft auf meine Faust und knallt zu Boden. Hände packen meinen gesunden Arm und drücken ihn aufs Bett. Etwas wird an meinem Handgelenk, an meinen Knöcheln befestigt. Ich wehre mich und trete verzweifelt um mich. Die Dunkelheit senkt sich auf meine Augen, meine Ohren, meine Kehle. Ich kann nicht mehr atmen, nicht mehr richtig hören und sehen und habe solche Angst, dass ich fürchte, verrückt zu werden.
    Etwas Kaltes, Spitzes bohrt sich in meinen Arm.
    Mir bleibt nur noch ein Moment, um den Schmerz zu bemerken, bevor er mich überwältigt.

6
    »Juliette«, flüstere ich. »Was machst du hier?«
    Ich bin erst halb angezogen, trage noch kein Hemd, und es ist viel zu früh für Besucher. Diese Stunden vor Sonnenaufgang sind meine einzigen friedlichen Momente des Tages, und niemand außer mir sollte in meinem Zimmer sein. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, sich Zutritt zu verschaffen.
    Jemand hätte sie aufhalten müssen.
    Doch sie steht in der Tür und starrt mich an. Ich habe sie schon so oft gesehen, aber diesmal ist etwas anders. Ihr Anblick bereitet mir körperliche Schmerzen. Dennoch fühle ich mich zu ihr hingezogen, will ihr nah sein.
    »Es tut mir so leid«, sagt sie, händeringend, und wendet den Blick ab. »Es tut mir so entsetzlich leid.«
    Erst jetzt fällt mir auf, was sie anhat.
    Ein dunkelgrünes eng anliegendes Stretchkleid aus Baumwolle, das sich an die weichen Rundungen ihres Körpers schmiegt. Die Farbe unterstreicht die grünen Sprenkel in ihren Augen perfekt. Es ist eines der vielen Kleider, die ich für sie ausgesucht habe. Ich dachte mir, dass sie vielleicht gerne etwas Hübsches zum Anziehen hätte, nachdem sie so lange wie ein Tier gefangen gehalten wurde. Und ich kann es mir selbst nicht erklären, aber ich empfinde einen seltsamen Stolz, weil sie etwas trägt, das ich für sie ausgewählt habe.
    »Es tut mir so leid«, sagt sie wieder.
    Ich kann nicht fassen, dass sie hier ist. In meinem Schlafzimmer. Sie steht hier und starrt auf meinen nackten Oberkörper. Die Haare reichen ihr fast bis zur Mitte des Rückens. Ich sehne mich so sehr danach, sie zu berühren, dass ich die Hände zu Fäusten ballen muss. Sie ist so wunderschön.
    Ich verstehe nicht, weshalb sie sich dauernd entschuldigt.
    Sie schließt die Tür hinter sich. Geht auf mich zu. Mein Herz schlägt extrem schnell. Das ist nicht normal. So reagiere ich nicht. Ich verliere niemals die Kontrolle. Ich sehe Juliette täglich, und bislang ist es mir gelungen, wenigstens einen Rest von Würde zu bewahren. Hier stimmt etwas nicht.
    Sie berührt meinen Arm.
    Streicht mir über die nackte Schulter. Der Schmerz, als ihre Haut meine berührt, ist so schlimm, dass ich am liebsten schreien würde. Aber ich bringe keinen Laut hervor, scheine erstarrt zu sein.
    Ich will ihr sagen, dass sie aufhören, dass sie verschwinden soll, doch etwas in mir wehrt sich. Obwohl es weh tut, obwohl es Irrsinn ist, bin ich froh, dass sie mir so nah ist. Aber ich scheine sie nicht anfassen, nicht in die Arme nehmen zu können, wie ich es mir immer gewünscht habe.
    Sie sieht mich an.
    Betrachtet mich prüfend mit diesen sonderbaren blaugrünen Augen, und ich fühle mich plötzlich schuldig, ohne zu wissen, warum. Etwas in ihrem Blick gibt mir das Gefühl, wertlos zu sein – sie als Einzige scheint verstanden zu haben, dass ich innerlich komplett hohl bin. Sie hat die Risse in dem Panzer entdeckt, den ich tagtäglich tragen muss, und das lähmt

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