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Zerstöre mich

Zerstöre mich

Titel: Zerstöre mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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Hirn ist ein Lagerhaus sorgsam geordneter Emotionen. Ich sehe förmlich vor mir, wie es Bilder und Gedanken aussortiert. Was mir nicht weiterhilft, wird weggepackt. Ich konzentriere mich auf das Notwendigste: die Hauptelemente des Überlebens und die zahlreichen Dinge, die ich an einem Tag erledigen muss.
    »Natürlich«, antwortet Delalieu. Die Angst in seiner Stimme kränkt mich ein wenig, aber ich reagiere nicht darauf. »Ja, Sir«, fährt er fort, »wir glauben zu wissen, wo sie sich verstecken – und wir haben Grund zu der Annahme, dass Gefreiter Kent und das – und das Mädchen – und nun ja, dass auch Gefreiter Yamamoto geflüchtet ist – wir vermuten, dass sie alle drei zusammen sind, Sir.«
    Die Schubladen in meinem Gehirn rattern und scharren, als wollten sie von selbst aufspringen. Erinnerungen. Vermutungen. Gerüchte und Geflüster.
    Ich werfe sie in einen Abgrund.
    »Vermutungen gibt es viele.« Ich schüttle den Kopf und bereue es sofort. Schließe wieder die Augen wegen des Schwindels. »Ich will keine Theorien, auf die ich schon selbst gekommen bin«, krächze ich. »Sondern konkrete Fakten. Einen verlässlichen Anhaltspunkt, Lieutenant. Oder Sie verschwinden so lange, bis Sie mir das liefern können.«
    »Ein Auto«, sagt Delalieu rasch. »Ein Auto wurde als gestohlen gemeldet, Sir, und wir konnten es bis zu einem bislang unbekannten Ort verfolgen. Aber dann ist es spurlos verschwunden. Als hätte es sich in Luft aufgelöst, Sir.«
    Ich blicke hoch. Höre aufmerksam zu.
    »Wir sind den Spuren gefolgt, die wir auf dem Radar hatten«, fährt Delalieu fort, jetzt ruhiger. »Sie führen zu menschenleerem Brachland. Wir haben das gesamte Gebiet abgesucht und nichts gefunden.«
    »Das ist doch zumindest etwas.« Ich reibe mir den Nacken, kämpfe gegen die lähmende Schwäche an, die meinen ganzen Körper erfasst hat. »Wir treffen uns in einer Stunde im L-Raum.«
    »Aber, Sir«, erwidert Delalieu mit Blick auf meinen Arm, »Sie brauchen Hilfe – Sie sind doch verletzt – Sie können nicht ohne Pfleger …«
    »Wegtreten.«
    Er zögert.
    Dann: »Ja, Sir.«

2
    Es gelingt mir zu duschen, ohne zu kollabieren.
    Eigentlich habe ich mich eher mit dem Schwamm gewaschen als geduscht, aber ich fühle mich trotzdem besser. Unordnung kann ich nicht ertragen; ich empfinde sie als persönlichen Angriff. Ich dusche regelmäßig. Ich esse sechs kleine Mahlzeiten pro Tag. Ich wende täglich zwei Stunden für Sport und Krafttraining auf. Und ich hasse es, barfuß zu sein.
    Jetzt stehe ich nackt, hungrig, müde und barfuß in meinem begehbaren Kleiderschrank. Eine höchst unerfreuliche Situation.
    Mein Schrank hat jeweils separate Fächer für Hemden, Krawatten, Hosen, Blazer, Stiefel, Socken, Handschuhe, Tücher und Mäntel. Alles ist nach Farbschattierungen sortiert. Jedes Kleidungsstück ist maßgeschneidert. Ich fühle mich erst wie ich selbst, wenn ich vollständig bekleidet bin. Das ist ein wichtiger Teil meiner Identität. Damit beginne ich jeden Tag.
    Und nun habe ich nicht die geringste Ahnung, wie ich mich anziehen soll.
    Meine Hand zittert, als ich nach der kleinen blauen Flasche greife, die man mir morgens gegeben hat. Ich lege zwei der eckigen Pillen auf meine Zunge und warte, bis sie sich aufgelöst haben. Was sie bewirken, weiß ich nicht; aber sie helfen wohl dabei, den Blutverlust auszugleichen. Ich lehne mich an die Wand, bis der Schwindel nachlässt.
    So eine banale Tätigkeit wie sich anzuziehen. Ich hatte nicht erwartet, dass sie zu einem fast unüberwindlichen Hindernis werden könnte.
    Ich fange mit den Socken an; normalerweise ein simples Vergnügen, aber jetzt ist es aufwendiger, als einen Mann zu erschießen. Einen Moment lang überlege ich, was die Ärzte wohl mit meinen Kleidern gemacht haben. Nur die Kleider , sage ich mir, nur die Kleider ; ich darf nur an die Kleider denken, die ich an dem Tag trug. An nichts anderes. Nicht an andere Details.
    Stiefel. Socken. Hose. Pullover. Meine Uniformjacke mit den vielen Knöpfen.
    Den vielen Knöpfen, die sie aufgerissen hat.
    Nur eine kleine Erinnerung, aber sie trifft mich bis ins Mark.
    Ich versuche sie wegzudrängen, aber sie lässt sich nicht verscheuchen, und je mehr ich mich bemühe, sie zu vergessen, desto schneller verwandelt sie sich in ein Monster, das ich nicht mehr beherrschen kann. Erst als meine Haut sich eisig anfühlt, merke ich, dass ich an die Wand gesackt bin und viel zu hastig atme. Als mich die Scham überkommt, kneife ich die

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