Zeugin am Abgrund
als die anderen gegangen waren.
“Sieht so aus”, stimmte Sam zu. Er hatte es sich auf der Couch bequem gemacht und beobachtete Lauren.
Sein unverhohlener Blick irritierte sie. “Du gehörst ins Bett, Sam”, sagte sie, um das Thema zu wechseln. “Du siehst erschöpft aus.”
“Da hast du allerdings Recht.” Er zuckte zusammen, als er aufstehen wollte. Sofort war Lauren zur Stelle und half ihm.
Er nahm ihre Hilfe an, um sich aufzurichten, doch als sie ihm den Arm um die Taille legen wollte, um ihn zu stützen, schob er sie fort. “Ist schon gut, das bekomme ich hin. Ich habe ja nichts an den Beinen.”
Lauren nahm es hin, dass er sie zurückwies, und folgte ihm nervös, während er langsam in Annies Schlafzimmer ging.
Nachdem er sich auf der Bettkante niedergelassen hatte, war er blass und schnappte nach Luft. Als sich Lauren hinkniete, um ihm aus den Mokassins zu helfen, protestierte er nicht.
“So, und jetzt müssen wir dich ausziehen, damit du endlich ins Bett kommst”, sagte sie und begann sein Hemd aufzuknöpfen.
“Normalerweise ist es ja so, dass der Bräutigam die Braut entkleidet”, murmelte er.
Lauren sah auf und bemerkte, dass er sie beobachtete. Seine dunklen Augen glitzerten unter den schweren Lidern. Sie senkte den Kopf und konzentrierte sich wieder auf seine Hemdknöpfe, während ihr Gesicht rot anlief. Als sie ihm das Hemd ausgezogen hatte, wurde ihre Kehle beim Anblick seiner breiten Schultern und der braunen Haut trocken. Verlangen stürmte auf sie ein wie eine Flutwelle, doch sie schaffte es, mit glaubwürdiger Gelassenheit zu antworten: “Ich schätze schon. Aber andererseits muss der Bräutigam normalerweise keine Schussverletzung auskurieren, nicht wahr?”
Was ist bloß mit dir los? fragte Lauren sich stumm. Bist du sexsüchtig geworden, nur weil du mit Sam geschlafen hast? Um Himmels willen! Der Mann war angeschossen worden, und vor gerade einmal zwei Nächten hatte sein Leben auf der Kippe gestanden. Außerdem musste sie sich in Erinnerung rufen, dass sie keine echte Ehe führten.
“Und jetzt die Hose”, sagte Lauren knapp und gab sich Mühe, unbeteiligt zu wirken und nicht auf seinen Körper zu starren. Damit sie die Hose leichter aufmachen konnte, legte Sam sich nach hinten und beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen.
So würdevoll, wie es nur ging, zog sie den Reißverschluss auf, dann hob Sam die Hüften an, damit sie die Hose herunterziehen konnte. Schließlich lag er auf dem Bett und trug nur noch seine marineblauen Shorts. Lauren wandte sich rasch zur Seite und gab sich besonders große Mühe, Hemd und Hose zu falten und auf einen Stuhl zu legen.
Ihre Nerven waren kaum noch zu bändigen. Als sie sich umdrehte und Sam breitbeinig und nur mit diesem kleinen Stück Stoff bekleidet daliegen sah, fühlte sie, wie sich tief in ihrem Inneren etwas zu regen begann.
Sie biss die Zähne zusammen und ging zurück zum Bett. “Gut, dann setz dich hin.” Sie nahm seine Hand und zog ihn hoch, während sie mit der anderen Hand die Bettdecke zur Seite schlug.
Es war nicht einfach, aber schließlich war es doch geschafft, und Sam lag im Bett. Die Bettdecke hatte sie bis zu den Achseln hochgezogen. “So, das wär’s”, erklärte Lauren mit echter Erleichterung. “Wenn du sonst nichts mehr brauchst, dann schließe ich ab und mache mich fertig fürs Bett.”
“Okay, mir geht es gut”, erwiderte Sam. Sein Gesicht war wie immer ernst und leidenschaftslos, aber seine dunklen Augen betrachteten sie weiterhin mit dieser enervierenden Intensität.
Annies Haus war winzig -- ein Wohnzimmer, die Küche mit Essecke, und ein Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Lauren war schnell damit fertig, die beiden Haustüren abzuschließen und das Licht im Haus zu löschen. Sam war noch wach, als sie zurückkam. Sie bemühte sich, ihn nicht anzusehen, nahm den Matchbeutel mit ins Bad und machte die Tür zu.
Lauren nahm sich unter der Dusche viel Zeit, verwöhnte ihre Haare mit viel Shampoo und rasierte sich die Beine. Anschließend rieb sie ihre Unterschenkel und Füße mit einer Lotion ein und puderte sich mit duftendem Talkumpuder ein, den sie auf der Ablage über dem Waschbecken entdeckt hatte. Sie musste ihre Haare mit dem Handtuch trocknen, da Annie offensichtlich keinen Föhn besaß und Sam nicht daran gedacht hatte, einen zu kaufen, bevor sie Denver verlassen hatten. Als ihr Haar nur noch ein wenig feucht war, kämmte sie es aus, dann zog sie das Flanellnachthemd an, das
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