Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
Erwarten unsere Freiheit behalten. Und wir waren – und das war der größte Gewinn – noch bessere Freunde geworden!
Heute würde es vermutlich heißen, wir hätten die Zeugen beeinflusst oder eingeschüchtert – weil in den Augen der Öffentlichkeit eben so etwas eigentlich nicht sein kann. Aber es wurde eben niemand beeinflusst, so langweilig das auch klingen mag …
Wer nie in einem Club oder als Kind nie Mitglied einer Bande war, wird sich einigermaßen schwer damit tun, hinter den Zauber und Reiz einer solchen Gruppe zu blicken. Obwohl wir beide als Kinder in funktionierenden Familien aufgewachsen sind und somit auch nie das Gefühl haben mussten, Ersatzfamilien zu finden, waren wir beide sehr früh schon von dem Gemeinschaftssinn einer solchen Vereinigung fasziniert.
Egal, zu welcher Uhrzeit, egal, an welchem Wochentag – man war irgendwie nie allein. Und die Gemeinschaft, in der man sich befand, war auch wirklich eine – und als ehemaliger aufstrebender Fußballspieler weiß ich, wovon ich spreche. All die Teams, in denen ich gekickt habe, auch in meiner Zeit auf Schalke, waren allenfalls Zweckgemeinschaften gewesen, ein zusammengewürfelter Haufen ehrgeiziger Individualisten, von denen am Ende des Tages keiner dem anderen die Wurst auf dem Brot gönnte. Elf Freunde hätten wir sein sollen, dabei standen da nicht selten elf Feinde auf dem Platz, die kaum etwas gemeinsam hatten außer diesem manischen Streben nach Erfolg. Nach oben ging es letztlich immer nur über den Rücken eines anderen, den man ausgestochen hatte.
Und so, wie ich als Fußballspieler auf anderen herumgetrampelt bin, um Erfolg zu haben, so wurde auch auf mir herumgetrampelt. Treten und getreten werden. Sicher, Erfahrungen wie diese härten einen jungen Menschen natürlich auch ab, aber eine Atmosphäre der Geborgenheit oder gar ein Gemeinschaftsgefühl kam noch nicht einmal richtig auf, wenn man im Team zusammen Erfolge feiern durfte.
Ein Motorradclub ist ganz anderer Natur. Dort finden sich in der Regel Jungs zusammen, die nicht nur ihre Interessen teilen, sondern auch dieselbe Philosophie. Natürlich gibt es auch in einem solchen Club immer wieder Typen, die einem nicht liegen, oder Brüder, deren Motivation einzutreten eine ganz andere war als die eigene. Aber im Großen und Ganzen ist man – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ein Haufen Kerle, die ähnlich tickten: Biken, Partys und die Freiheit, Dinge zu tun, die andere sich nicht trauen. Und dazu gehört selbstverständlich auch die Freiheit, von Fall zu Fall Probleme mit den Fäusten oder einem Axtstiel zu lösen.
Dadurch, dass es sich bei den Ghostridern um einen vergleichsweise großen Club handelte, kam man ständig ordentlich herum. Gut, der Radius hat sich mit den Bandidos noch einmal deutlich vergrößert – auf die ganze Welt –, aber schon zu Ghostrider-Zeiten war man in europäische Städte und Länder gekommen, die man ansonsten nicht gesehen hätte. Und das ist etwas, was mich bis heute fasziniert. Wenn ich heute beschließe, nach Thailand oder beispielsweise in die USA zu reisen, werde ich vor Ort von meinen dort ansässigen Brüdern aufgenommen. Ich muss mich um nichts kümmern, bekomme irgendwo ein Zimmer, wenn ich biken will, eine Maschine, und ich werde in Kneipen, Clubs und zu Sehenswürdigkeiten geführt, die ein Pauschaltourist nie zu Gesicht bekommen würde.
Es ist eben ein Unterschied, ob ich im Reisebüro zwei Wochen USA buche, mich am Flughafen mühsam zum Autoverleih durchfragen muss und am Ende von den Launen und dem Standardprogramm eines schlecht bezahlten Hotelanimateurs abhängig bin oder ob mich am Airport zwei, drei Gleichgesinnte in Empfang nehmen und mich erst einmal zu einer Party führen, die eigens für mich veranstaltet wird – obwohl ich diese Jungs noch nie zuvor getroffen habe.
Darüber hinaus bietet ein Club auch ein gewisses Maß an Sicherheit und Verlässlichkeit, denn eines ist immer klar: Man legte sich nie nur mit einem Member an, sondern immer auch mit dem Colour! Aber diese Gesetzmäßigkeit gilt auch im umgekehrten Fall: Wenn ein Member irgendwo bei einer Auseinandersetzung davonläuft, rennt in letzter Konsequenz auch sein Club weg, und das ist etwas, was nicht geduldet wird. Das muss jedem Anwärter klar sein. Jeder, der Mitglied in einem Club wird, kann 100-prozentig auf seine Brüder zählen, er ist aber auch zu 100 Prozent dazu verpflichtet, seinen Club immer und überall standesgemäß zu repräsentieren. Es
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