Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten (German Edition)
hätte anfangen können – und: Man war nicht einmal als Rocker ständig scharf darauf, irgendwo Streit anzufangen.
Und genau so war es auch an diesem Abend: Wir waren normale Gäste – in Kutten – unter lauter normalen Gästen, und nichts deutete darauf hin, dass dieser Ausflug blöd enden würde. Bis, ja bis der Typ hinter der Theke meinte, er müsse einen auf dicke Hose machen …
Les rief den Ausschenker herbei und wollte noch eine letzte Runde bestellen: »Mach uns noch einen fettich!« Und danach wollten wir eigentlich gehen. Wollten wir!
Ich weiß bis heute nicht, was diesen Blödmann mit einem Mal geritten hatte. Steht da, schenkt den ganzen Abend klaglos sein Bier aus, bekommt seine Kohle plus ordentlich Trinkgeld und beschimpft uns plötzlich als »Assis«.
Die Sache ging dann verhältnismäßig schnell: Einer unserer Männer griff sich den Vogel über die Theke hinweg, zog ihn rüber und dann schepperte es auch schon. Der Junge wusste gar nicht, wie ihm geschah. Und seine Kollegen vom Wachdienst auch nicht. Diese Typen wurden mitsamt dem Bierstand so dermaßen eingestampft, dass nicht mehr viel übrig blieb.
In kürzester Zeit waren dann auch schon die Martinshörner zu hören, irgendjemand muss sofort die Polizei verständigt haben, und dann hieß es ab durch die Mitte. Wir hauten über die Wiese des Schwimmbads ab und so verlor sich unsere Spur recht schnell im Dunkeln.
Von ein paar unbeteiligten Gästen habe ich dann erfahren, dass man nach einem Typen mit Zahnlücke sucht, und da war mir schnell klar, dass es sich hierbei nur um meinen Freund Les handeln konnte. Mich kannte man in der Umgebung dummerweise mit Namen – von Les indes gab es nur eine Personenbeschreibung.
Ja, und dann sitzt man zu Hause und wartet, dass irgendwann die Kollegen von der Streife kommen, um einen abzuholen – aber nichts geschah. Bis wir eben in Ulm saßen. Dort flatterten dann nach und nach die Strafbefehle aus Bottrop und Gelsenkirchen ein, und aus einer Anklage waren plötzlich drei unterschiedliche Fälle geworden. Das verhieß nichts Gutes!
Vor Gericht
von Les H.
Die Geschichte in Bottrop war an ein Amtsgericht verwiesen worden – die Sache in Gelsenkirchen dagegen gleich an ein Landgericht. Die Schlägerei im Schwimmbad war richtig aufgeblasen worden, was daran gelegen haben muss, dass das Ganze auf einer SPD-Veranstaltung passiert war. Mir war klar, dass uns diese drei Vorwürfe für gut fünf bis sechs Jahre hinter Gitter bringen konnten. Bei dieser Liste konnte man eigentlich nicht mehr mit Milde oder gar Gnade rechnen.
Und man konnte auch nicht damit rechnen, dass der andere auf der anderen Seite des Zellenblocks tatsächlich dichthielt. Die Gefahr, für diese Geschichten mehrere Jahre abzugehen, war ja nun wirklich bittere Realität, und in einer solchen Situationen haben schon ganz andere Kaliber den Schwanz eingezogen. Aber Peter zog die ganze Sache mit mir zusammen durch – und zwar bedingungslos. Und ich mit ihm.
Da hat keiner gesungen, keiner den anderen ans Kreuz genagelt und auch keiner gekniffen. Sätze wie »Das war ich nicht!« oder »Da war ich nicht dabei!« kamen in unserem Wortschatz einfach nicht vor, und je näher die Prozesstermine rückten, desto mehr wurde uns beiden wohl klar, wie sehr wir auf den anderen vertrauen konnten.
Dabei war die Versuchung, im Knast einzuknicken, natürlich groß. Beide wurden wir bei Befragungen immer wieder gegeneinander ausgespielt und es wurden einem Vergünstigungen versprochen, wenn man in der einen oder anderen Sache ein wenig zur Aufklärung beitrug. Dazu kamen die ganzen Geschichten, die von außen an uns herangetragen wurden. Zum einen bekamen wir schnell mit, dass das Umfeld draußen – Familie, Freunde, Freundinnen – deutlich ärger unter dieser Sache zu leiden hatte als wir, die wir in der Zelle saßen. Wir erfuhren von Gerüchten und Intrigen, die wir vom Gefängnis aus naturgemäß nicht geraderücken konnten. Leute, die Mist über einen erzählen, kann man im Knast nicht zum Gespräch bitten – oder zur Rechenschaft ziehen … Alles in allem ist man als Häftling vergleichsweise hilflos und das war ein Zustand, den Peter und ich in unserem Leben bis dahin gar nicht kennengelernt hatten. Der Zusammenhalt in dieser Zeit und die Tatsache, dass wir uns bedingungslos aufeinander verlassen konnten, hat uns noch mehr zusammengeschweißt und uns zu dem gemacht, was wir heute nicht nur aufgrund unserer Rückennummern sind: zu echten
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