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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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können wir alle Fächer in der Vene leeren. Die Bakterien gehen bei der Berührung mit Luft sofort ein. Dann können wir die Vene mit dem Dotter eines Embryos füllen. Die Zellen sterben vielleicht auf der Heimreise ab, können aber nicht verwesen, da sie niemals mit Bakterien, die sie zersetzen, in Kontakt kommen. Zu Hause in den Ringen können wir verschiedene Gene aktivieren oder unterdrücken, um die einzelnen Kasten zu produzieren, so wie es hier auf natürliche Art geschieht. Wir werden Millionen von Arbeitern, Armeen von Kriegern haben, wenn wir sie brauchen; vielleicht sogar organische Raketenschiffe aus manipulierten Flüglern. Wenn das alles klappt, wer wird sich dann an mich erinnern, hm? An mich und mein arrogantes, unwichtiges Leben und mein unwichtiges Opfer?«
    Sie starrte ihn an. Auch die unförmige Schutzbrille konnte ihre neu gewonnene Hochachtung, aber auch ihre Furcht nicht verhehlen. »Dann wollen Sie es wirklich durchführen?«
    »Ich habe meine Energie und meine Zeit geopfert. Ich erwarte jetzt Resultate, Doktor.«
    »Aber das ist doch glatte Entführung. Sie beabsichtigen ein Volk von Sklaven zu züchten.«
    Afriel zuckte verächtlich die Achseln. »Reine Wortklauberei, Doktor! Ich schade dieser Kolonie hier nicht im geringsten. Ich entziehe ihr vielleicht etwas Arbeitszeit der Arbeiter, während diese meinen chemischen Befehlen gehorchen; aber die paar Leute werden nicht vermißt werden. Ich gestehe den Mord an einem Ei; das ist aber kein schlimmeres Verbrechen als eine Abtreibung bei den Menschen. Kann man wirklich den Diebstahl eines genetischen Stranges ›Entführung‹ nennen? Ich glaube nicht. Und den skandalösen Vorwurf der Versklavung weise ich klipp und klar zurück. Diese Geschöpfe sind genetische Roboter. Sie sind ebensowenig Sklaven wie Laserbohrer oder Bulldozer. Schlimmstenfalls kann man sie als Haustiere betrachten.«
    Mirny dachte über seine Erklärungen nach. Sie brauchte aber nicht lange. »Sie haben recht. Es wäre nicht so, als ob ein gewöhnlicher Arbeiter aus Sehnsucht nach Freiheit zu den Sternen aufschaute. Sie sind nur gehirnlose Neutra.«
    »Genau, Doktor.«
    »Sie arbeiten einfach dahin. Ob sie für uns oder für die Schwärmer arbeiten, ist gleich.«
    »Ich sehe, daß Ihnen die Schönheit meiner Idee aufzugehen beginnt.«
    »Und wenn es klappt«, sagte Mirny, »wenn es klappt, wäre es für unsere Partei ein Riesengewinn.«
    Afriel lächelte erfreut, ohne sich des eiskalten Zynismus seiner Worte bewußt zu sein. »Und der persönliche Profit, Doktor …« Er sprach ganz ruhig. »Haben Sie je einen Schneeschauer von Stickstoff auf Titan erlebt? Ich denke da an eine eigene Siedlung – groß, größer als irgend etwas, das man vorher schaffen konnte … Eine richtige Stadt, Galina, ein Ort, wo man die Verordnungen und Beschränkungen, die einen jetzt verrückt machen, einfach über Bord werfen kann …«
    »Jetzt sprechen Sie aber vom Desertieren, Hauptmann.«
    Afriel schwieg einen Augenblick lang. Mit einem gequälten Lächeln fuhr er fort. »Sie haben soeben meinen schönsten Traum zerstört. Dabei habe ich nur von dem wohlverdienten Ruhesitz eines reichen Mannes gesprochen und nicht von einer Einsiedlerklause, in die man sich aus Selbstmitleid zurückzieht … Darin liegt ein feiner, aber deutlicher Unterschied.« Er zögerte. »Darf ich trotz allem annehmen, daß Sie mich bei dem Projekt unterstützen?«
    Sie lachte und berührte seinen Arm. In ihrem Lachen, das von den gewaltigen, organischen Geräuschen aus dem Innern der Königin fast übertönt wurde, lag etwas Unheimliches … »Erwarten Sie, daß ich gegen Ihre Argumente zwei Jahre lang ankämpfen kann? Da ist es wohl besser, ich gebe gleich nach und erspare uns damit unnötige Reibereien.«
    »Allerdings.«
    »Schließlich tun Sie der Kolonie kein Leid an. Man wird niemals wissen, daß überhaupt etwas geschehen ist. Und falls es gelingt, ihre genetische Struktur daheim zu reproduzieren, gibt es auch keinen Grund mehr, sie wieder zu stören.«
    »Stimmt genau«, sagte Afriel, obwohl er gleichzeitig an die märchenhaften Reichtümer denken mußte, über die das Asteroidensystem von Beteigeuze verfügte. Er war überzeugt, daß der Tag kommen würde, an dem die Menschheit in Massen zu den Sternen aufbrechen würde. Dann würde es sich auszahlen, alle Fakten über jede Rasse, die zu einem möglichen Rivalen werden konnte, zu kennen.
    »Ich helfe Ihnen, so gut ich kann«, sagte sie. Dann schwiegen sie für

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