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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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machte sich schleunigst aus dem Staub. Afriel landete in der Hocke, als der den Schwung abbremsen mußte. Er konnte den beißenden Gestank eines wütenden Kriegers deutlich wahrnehmen, ein Pheromon, das so stark war, daß es sogar ein Mensch riechen konnte. Innerhalb weniger Minuten oder Sekunden würden hier Dutzende von Kriegern eintreffen. Hinter dem aufgebrachten Krieger konnte er hören, wie Arbeiter und Tunneler Felsstücke herausbrachen und wegschafften.
    Einen tobenden Krieger hätte er kontrollieren können, aber niemals zwei oder zwanzig. Er stieß sich von der Wand ab und machte sich auf den Rückweg.
    Er suchte nach dem anderen Sprungschwanz – eigentlich hätte er ihn finden müssen, da er so viel größer als die anderen war – aber er konnte ihn nirgendwo entdecken. Mit dem ausgeprägten Geruchssinn konnte dieser sich jederzeit verstecken, wenn er wollte.
    Mirny kam nicht zurück. Es vergingen zahllose Stunden. Afriel schlief ein. Danach suchte er nochmals die Kammer der Flügler auf. Jetzt standen Krieger als Wachen davor, die nicht auf Futter aus waren, sondern ihre riesigen, gezackten Fänge aufrissen, als er näherkam. Sie hätten ihn jederzeit zerrissen. Wie ein Nebel hing der leichte Geruch von Aggressionspheromonen über allem. Er sah keinerlei Symbionten an den Körpern der Krieger, nicht einmal die Art, die wie eine Riesenzecke dort zu hängen pflegte.
    Wieder kehrte er zu seinen Kammern zurück, um zu warten und nachzudenken. Mirnys Körper war nicht in den Abfallgruben. Es war natürlich auch möglich, daß etwas anderes sie aufgefressen hatte. Sollte er den Rest der Pheromone aus seiner Vene holen und damit versuchen, in die Kammer der Flügler einzudringen? Er war sich ziemlich sicher, daß Mirny – oder was von ihr übrig war – irgendwo in dem Tunnel steckte, in dem der Sprungschwanz getötet worden war. Er hatte diesen Tunnel noch nie selbst erforscht. Es gab Tausende von Tunnels, die er noch nie betreten hatte.
    Unentschlossenheit und Angst lähmten ihn. Wenn er sich ganz ruhig verhielt und gar nichts unternahm, bis die Investierer kamen? Er konnte ja dem Ringrat jede beliebige Version von Mirnys Tod auftischen. Solange er die Genproben mitbrachte, würde sich niemand beschweren. Er liebte Mirny auch nicht; er achtete sie zwar, aber nicht genug, um dafür sein Leben oder die Ziele seiner Partei aufs Spiel zu setzen. Er hatte seit längerer Zeit nicht mehr an den Ringrat gedacht; jetzt ernüchterte ihn dieser Gedanke. Er würde seine Entscheidung rechtfertigen müssen …
    Während er noch hin und her überlegte, kam ein Luftstrom herein, als seine lebende Luftschleuse sich entleerte. Drei Krieger holten ihn ab. Sie rochen aber nicht wütend. Sie bewegten sich langsam und bedächtig. Er wußte, daß jeder Widerstand zwecklos war. Einer packte ihn vorsichtig mit seinen gewaltigen Fängen und trug ihn fort.
    Er wurde in die Kammer der Flügler gebracht und dann in den bewachten Tunnel. Am Ende dieses Tunnels war eine neue, sehr große Kammer gegraben worden. Sie war bis zum Bersten mit einem weißen Fleischklumpen mit schwarzen Punkten gefüllt. Im Zentrum dieser weichen, gesprenkelten Masse befanden sich ein Maul und zwei feuchte, glänzende Stielaugen. Aus einem dicken Wulst über den Augen hingen lange Fühler wie dicke Kabel heraus. Diese Fühler trugen am Ende rosa Fleischstöpsel.
    Ein Fühler hatte sich in Mirnys Schädel hineingebohrt. Ihr Körper hing schlaff wie eine Stoffpuppe mitten in der Luft. Ihre Augen standen offen, waren aber ausdruckslos.
    Ein anderer Fühler war in die Gehirnschale eines mutierten Arbeiters eingesteckt. Der Arbeiter hatte die blasse Farbe einer Larve; er war verkümmert und deformiert; sein Maul sah wie der greisenhafte faltige Mund eines Menschen aus. In diesem Mund lag ein Klumpen wie eine Zunge, umgeben von weißen Zahnreihen. Er hatte keine Augen.
    Mit Mirnys Stimme sprach er Afriel an. »Hauptmann Afriel …«
    »Galina.«
    »Ich trage keinen solchen Namen. Nennen Sie mich Schwärmer.«
    Afriel mußte sich übergeben. Der weiße Fleischberg vor ihm war ein riesiger Kopf. Sein Gehirn füllte beinahe den gesamten Raum aus.
    Er wartete höflich, bis Afriel fertig war.
    »Wieder einmal wache ich auf«, sagte Schwärmer verträumt. »Ich bin froh, daß es sich nicht um einen Notfall handelt. Statt dessen ist es lediglich eine Bedrohung, die schon zur Routine geworden ist.« Zartfühlend brach er ab, als sich Mirnys Körper in der Luft bewegte. Ihr

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