Zikadenkönigin
drückte auf einige Knöpfe, und ein dreidimensionales Koordinatensystem flammte auf. »Das hier sind die Marktbewegungen der letzten achtundvierzig Stunden. Sieht fast aus wie die Kämme und Täler von Meereswellen, was? Sieh dir nur die Brandung der Transaktionen an.« Er berührte den Schirm mit dem Lichtgriffel, der in seinem Zeigefinger implantiert war, und Teile des Koordinatensystems wechselten von kühlem Grün zu Rot. »Hier kamen die ersten Meldungen vom Eisteroid …«
»Was?«
»Der Asteroid, dieser Eisbrocken vom Ringrat. Jemand hat ihn gekauft und befördert ihn nun mit einem Masseantrieb aus der Schwerkraft des Saturn. Er soll auf den Mars gestürzt werden. Das war ein sehr kluger Jemand, denn das Ding kommt bis auf ein paar tausend Kilometer an Z-K heran. Nahe genug, um mit bloßem Auge gesehen zu werden.«
»Also haben sie es wirklich geschafft?« fragte ich. Ich schwankte zwischen Schreck und Freude.
»Ich habe es aus dritter, vierter, vielleicht zehnter Hand gehört, aber es paßt gut zu den Parametern, die von den Polycarbon-Ingenieuren vorgegeben wurden. Ein Brocken aus Eis und flüchtigen Gasen mit mehr als drei Kilometern Durchmesser, der auf die Hellas Depression südlich des Äquators zielt. Er nähert sich mit fünfundsechzig Sekundenkilometern und wird um 20.14.53 UT am 14.4.54 aufschlagen … nach Ortszeit am frühen Morgen. Marszeit, meine ich.«
»Aber das sind noch einige Monate«, sagte ich.
Kulagin lächelte. »Paß auf, Hans, einen drei Kilometer dicken Eisbrocken schiebst du nicht mit dem Daumen an. Außerdem ist dies der erste von einigen Dutzend. Es ist eher eine symbolische Geste.«
»Aber das bedeutet doch, daß wir hinausziehen! In den Orbit um den Mars!«
Kulagin machte ein skeptisches Gesicht. »Das ist ein Job für Drohnen und Aufseher, Hans. Vielleicht noch für ein paar kräftige, harte Pionier-Typen. Es gibt für dich und mich überhaupt keinen Grund, den bequemen Z-K zu verlassen.«
Ich stand auf und rang die Hände. »Willst du bleiben ? Und den prigoginischen Katalysator verpassen?«
Kulagin blickte stirnrunzelnd auf. »Immer mit der Ruhe, Hans! Setz dich wieder. Man wird bald nach Freiwilligen suchen, und wenn du wirklich gehen willst, dann kann ich es sicher irgendwie einrichten. Der Punkt ist nur, daß die Wirkung auf den Markt spektakulär war … seit dem Tod des Kontrolleurs war alles ziemlich unsicher, und nun werden wir für den Verlust mit einer fetten Beute entschädigt. Ich beobachte seit drei Jahren ununterbrochen die Marktentwicklung, und ich hoffe, mich sozusagen an den Krümeln zu mästen … Zerstäuber?«
»Nein, danke.«
Kulagin bediente sich und nahm eine große Prise eines Anregungsmittels. Er wirkte fahrig. Ich hatte ihn noch nie ohne Gesichtsbemalung gesehen. Er sagte: »Ich habe nicht das gleiche Gespür für Massenpsychologie wie ihr Former, deshalb muß ich mir mit einem sehr, sehr guten Gedächtnis helfen … so etwas habe ich zum letztenmal vor dreizehn Jahren gesehen. Jemand verbreitete damals das Gerücht, die Königin habe versucht, Z-K zu verlassen, und die Berater hätten sie mit Gewalt zurückgehalten. Das Ergebnis war der Börsenkrach von einundvierzig, aber richtig rund ging es erst beim Run, der danach kam. Ich hab die Bänder von damals durchgesehen und die Finnen und Flossen und die großen scharfen Zähne eines alten Freundes erkannt. Ich erkenne auch bei diesen Manövern seinen Stil. Das hier ist nicht die elegante Gerissenheit eines Formers. Es ist auch nicht die kalte Beharrlichkeit eines Mechanisierers.«
Ich dachte nach. »Dann kommt nur noch Wellspring in Frage.«
Wellsprings Alter war unbekannt. Er war mit Sicherheit weit über zweihundert Jahre alt. Er behauptete, am Beginn des Raumzeitalters auf der Erde geboren zu sein und die erste Generation der unabhängigen Raumkolonien, die sogenannte »Verkettung«, überlebt zu haben. Er gehörte zu den Gründern des Zarina-Klusters, und er hatte der Königin ihre Behausung gebaut, als sie bei ihren Investierer-Brüdern in Ungnade fiel.
Kulagin lächelte. »Sehr gut, Hans. Du lebst im Moor, aber du hast keins im Kopf. Ich glaube, Wellspring hat den Krach von einundvierzig inszeniert, weil er sich selbst daran bereichern wollte.«
»Aber er lebt doch sehr bescheiden.«
»Als ältester Freund der Königin war er jedenfalls in einer ausgezeichneten Position, um Gerüchte in Umlauf zu bringen. Er hat sogar vor siebzig Jahren die Parameter des Marktes entwickelt. Und
Weitere Kostenlose Bücher