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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Ihre Augen waren von einer faszinierten Lust verdunkelt. Die Verlockung des Verbotenen hatte ihre Haken in sie geschlagen. Sie trat lässig gegen eine mit Mosaiken belegte Wand, und ein langer Blutfaden zerspritzte und legte sich über ihre Hüfte.
    In Discreets begegnet man dem Außergewöhnlichen. In einem Raum mit so vielen verborgenen Bedeutungen verschwammen alle Konturen. Durch die ständige Nähe hatte sich die Freude mit dem Tod vermählt. Für die Frau, die ich verehrte, waren die geheimen Riten, die wir hier ahnten, zu einem unaussprechlichen Ganzen geworden.
    »Schnell«, sagte sie. Ihre Lippen schmeckten bitter und waren von den Aphrodisiaka etwas fettig. Wir verflochten unsere Beine und kopulierten im freien Fall, während wir dem blutigen Schleiertanz des Leichnams zusahen.
    Das war die Nacht, in der die Königin ihre Hunde zurückrief.
     
    Es hatte mich so sehr erregt, daß mir schlecht wurde. Wir Zikaden lebten im moralischen Äquivalent des de Sitter-Raums, in dem keine Ethik gilt, die nicht durch nichtkausalen freien Willen entstanden ist. Jede Ebene der prigoginischen Komplexität beruhte auf einem unabhängigen, schöpferischen Katalysator: Raum existierte, weil der Raum existierte, Leben existierte, weil es entstanden war, Intelligenz war, weil sie war. So war es möglich, daß sich aus einem winzigen Augenblick großer Abscheu ein komplettes Moralsystem entwickelte … so lehrten es jedenfalls die Posthumanisten. Nach meiner glücklichen Vereinigung mit Valery zog ich mich zurück, um zu arbeiten und zu denken.
    Ich lebte im Schaum, in einem Fabrikstudio, das nach Flechten stank und erheblich weniger elegant war als Kulagins Wohnung.
    In der zweiten Tagschicht meiner Meditation besuchte mich Arkadya Sorienti, eine Polycarbon-Freundin und eine von Valerys Vertrauten. Selbst ohne die Hunde war unser Verhältnis belastet. Mir schien, daß Arkadya alles war, was Valery nicht war: blond, während Valery dunkel war, mit Mechanisierer-Kram bedeckt, während Valery die kühle Eleganz einer genmodulierten Frau besaß, voll falscher, spröder Fröhlichkeit, wo Valery sich lieber weichen, melancholischen Stimmungen hingab. Ich bot ihr eine Druckflasche mit Schnaps an; meine Wohnung lag zu nahe an der Achse, um Tassen zu benutzen.
    »Ich hab deine Wohnung noch gar nicht gesehen«, sagte sie. »Aber sie gefällt mir, Hans. Was für Algen sind das?«
    »Das sind Flechten«, sagte ich.
    »Sie sind schön. Eine deiner Spezialsorten?«
    »Sie sind alle etwas Besonderes«, sagte ich. »Die hier gehören zur Gruppe Mark III und Mark IV; sie werden zum Terraformen eingesetzt. Die anderen haben einige Eigenarten, die ich weiterentwickeln will, bis sie als Giftwächter eingesetzt werden können. Flechten reagieren sehr empfindlich auf jede Art von Verschmutzung.« Ich drehte den Luftionisierer auf. In den Eingeweiden von Mechanisierern tummelten sich die Bakterien nur so, das konnte gefährlich werden.
    »Welches sind die Flechten, die im Juwel der Königin waren?«
    »Die sind sicher unter Verschluß«, sagte ich. »Außerhalb eines Juwels wachsen sie sehr ungeregelt. Und sie riechen.« Ich lächelte unsicher. Unter Formern war bekannt, daß Mechanisierer stanken. Ich glaubte beinahe schon den Gestank ihrer Achselhöhlen zu riechen.
    Ardadya lächelte und rieb nervös über die Haut-Metall-Schnittstelle auf ihrem Arm, in der eine winzige Maschine saß. »Valery ist wieder mal mies drauf«, sagte sie. »Ich wollte sehen, wie's dir geht.«
    Vor meinem inneren Auge flackerte das alptraumhafte Bild der Kopulation unserer nackten, blutverschmierten Körper auf. Ich sagte: »Es war … unglücklich.«
    »Alle in Z-K reden über den Tod des Kontrolleurs.«
    »War es der Kontrolleur?« fragte ich. »Ich hab die Nachrichten nicht gehört.«
    Sie sah mich verschlagen an. »Ihr habt ihn doch gesehen«, sagte sie.
    Ich war schockiert, da sie zu erwarten schien, daß ich meinen Aufenthalt in einem Discreet diskutierte. »Ich hab zu tun«, sagte ich. Ich bewegte meine Flossen und entfernte mich seitlich von ihr. Wenn wir uns von der Seite ansehen mußten, würde sich die gesellschaftliche Distanz zwischen uns vergrößern.
    Sie lachte leise. »Stell dich nicht so an, Hans. Du tust, als wärst du noch unter den Hunden. Du muß es mir sagen, wenn ich euch beiden helfen soll.«
    Ich hielt mich fest. Sie sagte: »Ich will euch wirklich helfen. Ich bin Valerys Freundin. Ich finde es schön, euch zwei zusammen zu sehen. Das entspricht

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