Zikadenkönigin
Und jemand – du kannst dir sicher denken, wer – hat die Königin überredet, sie aufzunehmen und sie dafür Steuern zahlen zu lassen. Diese Steuern wurden zum Zehnten der Königin, und die Siedlung heißt jetzt Zarina-Kluster. Valerys Eltern – ja, ihre Eltern, denn sie wurde auf natürlichem Wege geboren – gehörten zu den Superklugen. Sie bekam nicht die übliche Ausbildung der Former, deshalb erreicht sie höchstens fünfundvierzig oder so.
Das Problem ist, daß sie so von ihren Launen abhängig ist. Das war bei ihren Eltern so, und sie selbst hat diese Stimmungsumschwünge seit ihrer Kindheit. Sie ist eine gefährliche Frau, Hans. Gefährlich für sich selbst und für uns alle. Sie sollte eigentlich unter den Hunden leben. Ich hab das meinen Freunden beim Wachdienst vorgeschlagen, aber jemand hat es verhindert. Und ich glaube zu wissen, wer es war.«
»Ich liebe sie. Sie will nicht mit mir sprechen.«
»Ich verstehe. Nun, wie ich hörte, hat sie sich in der letzten Zeit mit Emotionshemmern vollgestopft; das erklärt möglicherweise ihr Sträuben … ich will offen sein. Es gibt ein altes Sprichwort, Hans: Geh nie mit jemand in ein Discreet, der verrückter ist als du selbst. Das ist ein guter Rat. Du kannst Valery nicht trauen.«
Er hob die Hand. »Warte. Du bist noch jung. Du bist gerade von den Hunden losgekommen. Diese Frau hat dich bezaubert, und zugegebenermaßen besitzt sie einen umwerfenden Former-Charme. Aber ein Verhältnis mit Valery ist wie eine Affäre mit fünf Frauen gleichzeitig, von denen drei verrückt sind. Z-K ist voller wunderschöner Frauen. Klar, du bist etwas steif, vielleicht ein wenig verbissen, aber du hast einen gewissen idealistischen Charme. Und du hast diese Leidenschaftlichkeit der Former, sogar ein wenig Fanatismus, wenn du mir das nicht übelnimmst. Entspanne dich, Hans. Such dir eine Frau, die dir die harten Kanten abschleift. Sieh dich um! Das ist eine gute Art, neue Freunde für die Clique zu gewinnen.«
»Ich werde es beherzigen«, sagte ich.
»Gut. Ich wußte, daß es vergebliche Liebesmüh war.« Er lächelte ironisch. »Warum sollte ich dir die Reinheit deiner Gefühle nehmen? Eine tragische erste Liebe kann in fünfzig oder hundert Jahren für dich eine sehr wertvolle Erfahrung sein.« Er konzentrierte sich wieder auf den Schirm. »Ich bin froh, daß wir geredet haben, Hans. Ich hoffe, du kommst wieder zu mir, wenn das Geld von Eisho Zaibatsu überwiesen wird. Wir können unseren Spaß damit haben.«
»Das würde mir gefallen«, sagte ich, obwohl ich schon wußte, daß jedes Kilowatt, das ich nicht für meine Forschungen brauchte, anonym in das Terraform-Projekt gehen würde. »Und ich will deinen Rat nicht ausschlagen. Es ist nur so, daß er mir nicht hilft.«
»Ach ja, die Jugend«, sagte Kulagin. Ich ging.
Zurück zur schlichten Schönheit der Flechten. Ich war durch jahrelange Ausbildung auf sie spezialisiert, aber erst nach meiner posthumanistischen Erleuchtung hatte ich sie als schön und bedeutungsvoll für mich empfunden. Durch die Philosophie von Z-K betrachtet, standen sie in der Nähe eines katalytischen Punktes, an dem ein prigoginischer Sprung neues Leben entstehen ließ.
Auf einer anderen Ebene konnte man Flechten als gelungene Metapher für die Polycarbon-Clique betrachten: Ein Pilz und eine Alge, potentielle Rivalen, vereinten sich zu einer Symbiose, um etwas zu erreichen, das keiner von beiden allein geschafft hätte, genau wie die Clique Mechanisierer und Former vereinte, um das Leben auf den Mars zu bringen.
Ich wußte, daß viele meine Hingabe als eigenartig und sogar ungesund empfanden. Ich war durch ihre Blindheit nicht beleidigt. Allein schon die Namen meiner genetischen Bausteine klangen majestätisch: Alectoria nigricans, Mastodia tessellata, Ochrolechia frigida, Stereocaulon alpinum. Es waren winzige, aber mächtige Geschöpfe: Wesen der kalten Wüsten, deren Wurzeln und Säuren nackten, gefrorenen Stein zersetzen konnten.
Meine Nährschalen brodelten vor ursprünglicher Vitalität. Flechten würden den Mars mit einer grüngoldenen Flutwelle des Lebens überspülen. Sie würden unwiderstehlich aus den feuchten Kratern der Eisteroid-Einschläge herauskriechen, sich unbeeindruckt von den Stürmen und Erdbeben des Terraformens ausbreiten und die Flutwellen überstehen, die durch das Schmelzen des Permafrostes entstehen würden. Sie gaben Sauerstoff ab und banden Stickstoff.
Sie waren die besten. Sie waren nicht stolz, sie
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