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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Textzeilen auf dem altmodischen grünen Bildschirm. Tag um Tag wurde sie intensiver, denn alles blieb einem privaten Speicherbereich erhalten, und nichts konnte zurückgenommen werden. Auf ihren heimlichen Disketten gab es über hundert Botschaften, die kühl und neckend begannen und sich langsam über wirkliche Leidenschaft bis zu einer Art beiderseitiger Panik entwickelt hatten.
    Sie hatten es nicht so geplant. Es war Teil der Dynamik des Netzes. Für Seria war es eine seltene Gelegenheit, ihrer Rolle zu entkommen und mit einem interessanten Ausländer zu sprechen. Turner suchte in ihr den Trost einer Frau, den zu finden ihm nie Schwierigkeiten gemacht hatte. Das Netz hatte sie beide gefangen.
    Da sie sich nicht sehen konnten, begriff Turner, daß keine Frau ihn je gekannt und verstanden hatte wie Seria. Der Grund war einfach, daß er noch nie so viel hatte reden müssen. Wenn die Dinge sich entwickelt hätten, wie es im Westen üblich war, dann hätten sie ihre Gefühle ins Bett verlagert und dort umgebracht. Ihre unterschiedlichen Welten wären schmerzhaft aufeinandergeprallt, und sie hätten sich am nächsten Morgen beim Orangensaft angelächelt und einen taktvollen Abschiedsgruß gemurmelt.
    Aber es war anders gekommen. Über die Wochen hatten sie sich alles anvertraut: seine Familie, ihre Familie, ihre Abneigungen, seine Einsamkeit, ihre Fesseln, alle Störungen, die einen einzelnen zerfressen und zu zweit erträglich sind. Seltsamerweise hatten sie mehr gemein, als er je vermutet hätte. Sehr reale Dinge; Dinge, auf die es ankam.
    Das schmerzhaft primitive Ortsnetz reduzierte menschliche Beziehungen auf gedruckte Worte und ein flüchtiges, platonisches Wesen. Ihre Beziehung war zu einer klassischen, blutlosen, spirituellen Romanze in ihrem intensivsten und gefährlichsten Sinne geworden. Menschen waren nicht gemacht, solche Rollen zu spielen. Es war der Stoff, aus dem große Dramen waren, denn man konnte ohne weiteres verrückt werden.
    Er hatte wie auf glühenden Kohlen gewartet, bis sie die Werft besuchte. Es hatte einen Monat statt zwei Wochen gedauert, aber damit hatte er gerechnet. So ging es in Brunei.
    »Hallo, Ahornsirup.«
    Turner fuhr erschrocken auf und erhob sich. »Seria!«
    Sie warf sich heftig in seine Arme. Er taumelte und hielt sie fest. »Nicht küssen«, sagte sie hastig. »Bäh, das ist häßlich.«
    Er blickte zur Werft hinunter und zog sie rasch vom Fenster weg. »Wie bist du raufgekommen?«
    »Ich bin die Treppe raufgeschlichen, niemand hat es bemerkt. Ich mußte dich einfach sehen. Dich, nicht deine Worte auf einem Bildschirm.«
    »Das ist verrückt.« Er hob sie hoch und drückte sie. »Mein Gott, du fühlst dich wundervoll an.«
    »Du auch. Aua, meine Medaillen. Paß auf!«
    Er setzte sie wieder ab. »Wir müssen uns was Besseres einfallen lassen. Wo kann ich dich treffen?«
    Sie packte begierig seine Hände. »Bau das Boot, Turner! Brooke will es; es ist sein neues Spielzeug. Vielleicht können wir etwas arrangieren.« Sie zog sein Hemd aus der Hose und streichelte sein Zwerchfell. Turner wurde plötzlich so erregt, daß ihm die Ohren klingelten. Er langte hinunter und ließ die Hand an der Rückseite ihres Schenkels hochgleiten. »Verknittere nicht mein Kleid!« sagte sie bebend. »Ich werde gleich gefilmt!«
    Turner sagte: »Dieser Ort hier ist nichts. Er ist nicht gut für dich. Du brauchst schnelle Autos und Daiquiries und Fernsehen und Flüge zu den Bahamas.«
    »So romantisch«, flüsterte sie heiß. »Wie ein Rockstar, Turner. Riesige Verstärker und Fans am Flughafen. Turner, wenn du sehen könntest, was ich da drunter trage, würdest du ausflippen.«
    Sie wandte das Gesicht ab. »Hör auf mich zu küssen! Ihr Leute aus dem Westen seid verrückt. Münder sind zum Essen da.«
    »Du mußt dich an den Westen gewöhnen, Liebes.«
    »Du kannst mich nicht mitnehmen, Turner. Meine Leute würden es nicht zulassen.«
    »Wir überlegen uns was. Vielleicht kann Brooke helfen.«
    »Nicht einmal Brooke kann fortgehen«, sagte sie. »Er hat sein ganzes Geld hier festgelegt. Wenn er es versucht, frieren sie seine Konten ein. Er hätte keinen Penny mehr.«
    »Dann bleib ich hier«, sagte er entschlossen. »Früher oder später bekommen wir unsere Chance.«
    »Willst du dein Geld aufgeben, Turner?«
    Er zuckte die Achseln. »Du weißt, daß ich es nicht brauche.«
    Sie lächelte traurig. »Das sagst du mir jetzt, aber warte, bis du die richtige Welt wiedersiehst.«
    »Nein, hör zu

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