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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Arbeiters glitten durchs Bild, für eine Sekunde füllte sein Gesicht die Aufnahme aus, aufgebläht und verzerrt, beinahe wie durch ein Fischaugenobjektiv. Die Ekzeme auf seiner Stirn wirkten wie eiternde Wunden, die jeden Moment aufplatzen konnten. Seine blassen Lippen waren von Rissen durchzogen, die Zähne dahinter braune, zahnfleischlose Stifte, verschwommen zunächst, dann schärfer.
    Kampflärm. Mindestens drei Leute schrien durcheinander. Es war zu einem Handgemenge gekommen. Der Kameramann hielt dagegen, versuchte weiterhin den Knopf zu erreichen, erhielt einen Schlag in die Seite, ließ sich fallen und wurde von jemandem aufgefangen, der hinter ihm stand.
    Der Film lief die ganze Zeit über weiter.

2
    1. Filmrolle, 2. Szene (in einem Biergarten)
    Der Krug mit den Bierstängeln war erneut umgefallen. Zum x-ten Mal kam die Bedienung an den Tisch und stellte ihn auf. Eine dralle, nicht mehr ganz taufrische Frau war es, mit dicken schwarzen Ringen unter den Augen und einem Make-up, das zunehmend abbröckelte. Sie warf einen Blick in die beiden Krüge, nahm einen davon, machte einen Strich auf den Bierdeckel und zapfte am Ausschank frischen Gerstensaft. Sie tat es geräuschvoll, wohl, um ihren Unmut zu bekunden. Hinter dem Tresen lehnte ein Wirt an der Wand, groß und breitschultrig, mit einem runden Bierbauch. Schon zweimal war er im Stehen eingenickt und beinahe umgefallen. Man sah ihm an, dass ihm längst keinen Spaß mehr machte, worauf er sich da eingelassen hatte. Jedes Mal, wenn die Kamera ihn einfing, drehte er den Kopf zur Seite und machte eine wegwerfende Geste mit der Hand.
    Zwei Männer saßen sich am runden Stammtisch gegenüber. Die Reihe der krummen Bleistiftstriche auf den Bierdeckeln vor ihnen war schier endlos – andere der Pappuntersetzer lagen um den Tisch verstreut auf dem Boden. Der linke der beiden Männer war schlank, hatte schütteres dunkelblondes Haar und eine enorme Hakennase. Er lehnte sich zurück, die Arme schlaff herabhängend. Auf seinem Bierdeckel stand der Name Steffen.
    Sein Gegenüber brachte mindestens das doppelte Gewicht auf die Waage, hatte ein rundes Babygesicht und große, blutunterlaufene Triefaugen. Über seine wulstigen Lippen liefen schaumige Ströme aus Geifer und rannen seinen dicken Hals hinab. Er hatte sich nach vorne gebeugt, die gewaltigen Ellbogen auf dem Tisch. Sobald er seinen Kopf auf die Hände stützte, dauerte es nur wenige Sekunden, und er drohte einzuschlafen. Dann kippten seine Unterarme zur Seite weg, und er wachte wieder auf. Die Frage war, wie oft sich das Spiel noch wiederholen würde. Beim letzten Mal war er mit dem Gesicht auf die Tischplatte geschlagen. Auf seiner rechten Wange breitete sich ein Fleck aus, an der Stelle, wo er sich gestoßen hatte. Der Fleck wurde zusehends dunkler, violetter.
    „Steffen, du schaffst es! Noch eine Halbe, dann hast du ihn.“ Aus dem Off kam die Aufmunterung, eher verhalten. Der andere hatte niemanden mehr, der ihn anfeuerte. Seine Freunde waren zu seinen Rivalen geworden, und er hatte sie alle bereits unter den Tisch getrunken.
    Natürlich hatte die Kamera nicht den gesamten, schon fünf Stunden währenden Wettkampf aufgezeichnet. Immer nur kurze Momentaufnahmen waren es gewesen, so dass eine Art Zeitrafferfilm entstanden war. In kaum fünf Minuten Aufnahmezeit war zu sehen, wie fünfzehn erwachsene Menschen sich bis zur Bewusstlosigkeit soffen. Es war dokumentiert, wie sie hilflos durch die Wirtsstube torkelten, die Tür zur Toilette nicht erwischten und daneben gegen die Wand knallten. Die Kamera hatte die Momente eingefangen, wo Erbrochenes wie eine weiße Fontäne aus ihren Mündern hervorspritzte, hatte Lachanfälle und Weinkrämpfe aufgezeichnet und auch die Szene, wo sich einer der Betrunkenen auf die Bedienung zu stürzen und zwischen ihre Beine zu gelangen versuchte.
    Die Sache in Gang zu bringen, war denkbar einfach gewesen. Die vier Auswärtigen hatten verkündet, demjenigen, der am meisten Bier vertrug, die Zeche plus fünfhundert Mark in bar zu zahlen. Der Wirt war anfangs einverstanden gewesen. Die Kamera zog man erst heraus, als die ersten Liter schon geflossen waren. Es hatte einen kleinen Streit gegeben, da der Wirt seine Erlaubnis, die Sauforgie zu filmen, nicht geben wollte. Doch der Durst der Gäste war enorm, und als die vier fremden jungen Leute noch zwei Flaschen vom teuersten Wein kauften, den er in seinem Keller hatte, verstummte der Wirt und sagte den ganzen Abend lang kein Wort

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