Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
ab, scheinbar eingeschnappt. „Man merkt, dass du kein Bücherleser bist. Wenn man so poetische Begriffe wie Himmelstunnel nicht mag, kann man natürlich auch … Baum dazu sagen …“
Stood Arme fielen herab. Er wirbelte herum, drehte sich dem gigantischen Stamm zu. „Himmels…“
„Um durch die Erde zu gehen, braucht man ein Loch. Um in den Himmel zu steigen, braucht man etwas, an dem man emporklettern kann. Einen Baum. Ein Baum ist ein Tunnel in den Himmel.“
„Siti!“, hauchte er, rannte auf sie zu, nahm ihr Gesicht in seine Hände. Er spürte den Drang, sie zu küssen, und er tat es. Sie wehrte sich nicht, begegnete dem Kuss aber auch nicht mit Leidenschaft. „Der Baum ist eine Markierung! Du hast recht – kein Zweifel! Aber wo ist der Schatz?“
„Der Baum ist keine Markierung“, antwortete sie langsam. „Er ist der Tunnel zum Schatz. So steht es in den Aufschrieben: Am Ende des Tunnels befindet sich der Schatz.“
„Unter den Wurzeln …“
„Du bist Dummkopf genug für uns beide“, sagte Siti.
Stood stutzte und schlug sich dann mit der Hand gegen die Stirn. „Du hast recht. Ich bin ein Idiot. Das Ende des Tunnels in den Himmel ist natürlich nicht die Wurzel, sondern der Wipfel des Baumes. Aber das würde bedeuten, dass …“
Er hob den Blick nach oben. Ein Labyrinth aus Ast- und Laubwerk verbarg die Stelle, an der der Baum endete.
„Die Statue der sechsarmigen Göttin – sie ist auf dem Wipfel dieses Baumes verborgen! Was für ein Versteck …“
„Kein Wunder, dass sie niemand von deiner Sorte bisher gefunden hat“, schmunzelte Siti. „Niemand hatte bisher eine Begleiterin wie mich.“
„Asota Shuram hoch zwei“, murmelte Stood.
9
Der Aufstieg war nicht so beschwerlich, wie er es sich vorgestellt hatte. Zahllose Luftwurzeln und Äste machten es ihm leicht, an dem Stamm nach oben zu klettern. Natürlich nahm er sich immer mehr Zeit, um die Tragfähigkeit der natürlichen Sprossen zu prüfen, je höher er kam. Er verzichtete darauf, sich mit einem Seil zu sichern – der Zeitaufwand war zu groß. Im Klettern war er geschickt.
Ihm blieb sogar noch Zeit, über einige Dinge nachzudenken. Siti wartete unten auf seine Rückkehr, und zum ersten Mal seit zwei Tagen alleine zu sein, half ihm, einen freien Kopf zu bekommen. Vielleicht trug auch die Höhe ihren Teil dazu bei. Die Welt da unten wurde kleiner, und er hatte das Gefühl, einen besseren Überblick zu haben, auch innerlich.
Wenn er die Statue fand und zu Geld gemacht hatte, würde er der Buchhändlerin ihre dreißig Prozent abgeben – oder das, was sie für dreißig Prozent hielt. Vielleicht ließ sich da noch etwas drehen. Keinesfalls würde er sie leer ausgehen lassen. Sie hatte sich eine Belohnung verdient, und außerdem: Wenn sie diesen Schatz gefunden hatte, dann würde sie auch ihn aufspüren, egal, wo er untertauchte.
Die Äste wurden spärlicher, und er musste sich strecken, um sich auf den nächsten zu hieven. Das Holz knarrte unter seinem Gewicht, und eilig griff er nach dem nächsthöheren, um sich abzusichern. Einen Sturz aus dieser Höhe würde er nur durch ein Wunder überleben. Aber er würde nicht stürzen. Er war einen weiten Weg gekommen und würde sich jetzt keine Fehler mehr erlauben.
Längst hatte er das Laubdach der niedrigeren Bäume durchbrochen und sah von oben auf das Meer aus Grün hinab. In der Ferne stachen weitere Riesenbäume aus dem Blätterteppich heraus, aber er hatte den Eindruck, dass keiner von ihnen so hoch war wie jener, den er gerade bestieg. Tyron Stood spähte nach oben. Noch immer dichtes Wachstum, der Gipfel nur zu ahnen.
Wie würde die Statue aussehen? Wie würde sie dort oben befestigt sein? Wer hatte sie wohl heraufgebracht? Stood hatte das große, schwertähnliche Messer unten gelassen und trug nur ein kleines am Gürtel. Sicher musste er die Statue losschneiden, vielleicht sogar aus dem Holz herauspulen.
Weiter unten war er den possierlichen Rhesus-Äffchen begegnet. Scheu waren sie vor ihm geflohen. Hier oben kreisten nur noch einige bunte Vögel, und die ihm verhassten Insekten liefen über die Rinde. Spinnen hatten ihre Netze selbst hier oben noch aufgespannt, und jedes Mal, wenn er sich in einem davon verfing, verwünschte er diese krabbelnden Ungeheuer und beneidete sie dafür, dass sie sich nichts taten, wenn sie fünfzig Meter in die Tiefe fielen.
Fünfzig Meter? Er musste schon viel höher sein.
Er ließ eine relativ kahle Stelle hinter sich und drang in
Weitere Kostenlose Bücher