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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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verließ das Schlafzimmer und ging ins Wohnzimmer. Drei der vier Wände waren weiß gestrichen. Die Farbe blendete ihn förmlich in dem starken künstlichen Licht. Die Oberfläche der drei Wände war glatt. Der Fußboden war immer noch mit einer riesigen Plastikplane abgedeckt und grau wie ein Meer.
    Er tastete die Wand ab. Sie war glatt wie Sand, ein Gefühl, als führe man über Haut, nackte Haut. Er zog die Hand zurück. Unter seinen Füßen knisterte die Plastikplane. Es war still in der Wohnung. In Paulas Wohnung war es immer still gewesen.
    Wieder musterte er die Wände, drehte sich langsam um die eigene Achse. Sein Blick wanderte über die Plastikfolie, die Tür zum Flur, das Fenster, das in die Nacht starrte. Und den Flur, der genauso behandelt worden war wie das Schlafzimmer.
    Winter kehrte ins Schlafzimmer zurück. Das Bett war einen halben Meter von der Wand abgerückt worden. Die Maler mussten es vorgezogen haben. Winter betrachtete nachdenklich die Wände. Da waren Pinselstriche auf der Grundfarbe. Die Oberfläche uneben. Die Unebenheiten waren deutlich zu erkennen, zusammen bildeten sie eine Art Muster, das vom Fußboden bis zur Decke reichte.
    Er ging zur Tür und begann, die Schmalwand zwischen Tür und Fenster systematisch abzutasten, tastete weiter die Längswand ab, am Fenster vorbei und fuhr auf der anderen Seite damit fort. Die Unebenheiten unter seinen Händen erinnerten an feinen Sand am Strand. Einige Meilen von hier entfernt gab es so einen Strand. Der gehörte ihm. Genauso einen gab es einige Meilen westlich von Marbella. In einer Woche würde er ihn als sein Eigentum betrachten.
    Regen begann, gegen die Scheiben zu trommeln. Als er das Haus betreten hatte, schienen die schwarzen Wolken den Himmel freigeben zu wollen, aber jetzt waren sie zurückgekehrt.
    Er nahm die Hände von der Wand und schnüffelte daran. Sie rochen nach Öl, Lösungsmittel, Farbverdünner. Ein berauschender Geruch. Winter ließ die Hände sinken, ging um das Bett herum und tastete die Wand dahinter ab, von rechts nach links. Hier schien die Grundierung besonders sorgfältig ausgeführt worden zu sein, oder ungewöhnlich schlampig. Manchmal war es schwer, das zu entscheiden. Das Licht der hochhängenden Deckenlampe in der Zimmermitte war keine Hilfe.
    In Höhe des Kopfendes, etwa einen Meter über dem Boden, fühlte er etwas. Sacht ließ er die Hände wie über ein Gemälde gleiten. Ja. Unter den fachwerkartigen Farbschichten war etwas. Ein Quadrat, vielleicht fünf mal fünf. Er bewegte die Hände über die gleichseitige Fläche, drückte vorsichtig mit den Fingern dagegen, und sie gab ein paar Millimeter nach.
    Er sah sich nach einem Schneidwerkzeug um und probierte seine Schlüssel aus, aber die waren zu grob.
    In einer Küchenschublade fand er ein schmales kleines Messer. Er nahm ein Paar Handschuhe aus seiner Jacketttasche und streifte sie über.
    Zurück im Schlafzimmer fuhr er mit dem Messer vorsichtig über die obere rechte Ecke des Quadrats. In dem Schnitt glänzte es wie von Plastik. Winter zupfte daran, zog es behutsam Stück für Stück heraus. Mehr Plastik tauchte auf, und darin war etwas Weißes eingewickelt. Eine Verpackung. Sorgsam schnitt er das Viereck an zwei Seiten auf. Es enthielt ein flaches Päckchen, in Plastikfolie eingehüllt, wie sie den Fußboden bedeckte. Winter wickelte das Päckchen aus. Eine Fotografie und zwei Bogen dünnes Papier kamen zum Vorschein. Ein handgeschriebener Text. Blauer Kugelschreiber, blasse Schrift. Es schien ein Brief zu sein. Winter betrachtete das Foto. Es war schwarzweiß. Zwei kleine Kinder saßen jedes auf einer Schaukel. Das Schaukelgestell stand auf einem Spielplatz, den er kannte. Die Kinder schauten einander lachend an. Es waren ein Junge und ein Mädchen. Winter erkannte den Jungen im Halbprofil. Ungefähr fünfzehn Meter hinter den Schaukeln begann das Wäldchen. Die Bäume ließen ihre Zweige hängen, als wäre es windstill gewesen an jenem Tag, als das Foto aufgenommen wurde. Auf halber Strecke zwischen Wäldchen und Spielplatz stand ein Mann. Er beobachtete die Kinder. Das Bild war scharf genug und der Abstand nicht zu groß, sodass Winter das Gesicht erkennen konnte. Christer Börge. Winter sah, dass das Foto in seiner Hand zitterte, als hätten sich die Zweige in den Bäumen bewegt. Das Einzige, was er in diesem Augenblick wahrnahm, war Christer Börges Gesicht. Börges Blick war nach vorn gerichtet, als gäbe es keine Kamera, keinen Fotografen. Wer hat

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