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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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dieses Bild aufgenommen?, fragte sich Winter. War es Anton Metzer? Er bemerkte, dass er die beiden Briefbögen immer noch in der linken Hand hielt, und überflog den oberen Text, las weiter. Es waren nur zehn Zeilen. Die Handschrift kannte er. Diese Zeilen hatte er schon einmal gelesen. Auch die Blätter begannen zu zittern, wie noch vor zehn Sekunden die Fotografie. Er wechselte Foto und Blätter in die jeweils andere Hand, als ob das helfen würde. Er las auch den Text auf dem anderen Blatt, der länger war, vielleicht fünfzehn Zeilen. Winter zählte sie nicht. Bevor er am Ende angelangt war, füllten sich seine Augen mit Tränen.
    Es goss, als wollte sich die Welt in ein Meer ohne Land verwandeln. Ehe Winter die Autotür aufgeschlossen und hinter sich zugeschlagen hatte, war er schon durchnässt, als wäre er vom Haus zum Parkplatz geschwommen. Er wischte sich mit dem Mantelärmel übers Gesicht. Es war nicht nur Wasser.
    Der Regen rann über die Windschutzscheibe wie aus einem Feuerwehrschlauch. Winter schloss für Sekunden die Augen, öffnete sie wieder, versuchte das Wasser wegzublinzeln, ließ den Motor an.
    In Höhe des Linnéplatsen klingelte sein Handy. Auf den Straßen war kein Verkehr. Das Sahlgrenska-Krankenhaus lag verdunkelt da, als wären alle Stromleitungen unter den Wassermassen zusammengebrochen. Mit dem neuen Tag zog ein neuer Sturm herauf. Genau genommen war der neue Tag schon da.
    Das Handy. Er kriegte das verdammte Ding nicht aus der Manteltasche, weil die klammen Finger am Reißverschluss der Innentasche abrutschten. Warum hatte er ihn zugezogen? Das musste passiert sein, als er gedankenverloren das Haus verlassen hatte. Wie in Trance. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er es verlassen hatte. Ob er die Treppe benutzt hatte. Das Handy piepste weiter in seiner Tasche. Jemand hatte eine Nachricht hinterlassen. Winter bog zur Konstepidemin ein, parkte vor dem psychologischen Institut, bekam endlich den Reißverschluss auf und warf einen Blick auf das Display.
    Er rief den Antwortdienst an. Sie haben eine Nachricht. Sie wurde aufgenommen usw. Er wusste, dass sie aufgenommen worden war.
    Wie durch mächtigen Lärm drang eine Stimme an sein Ohr.
    »Winter?! Ist da Winter? Wenn Sie mich hören, nehmen Sie Kontakt zu mir auf.«
    Eine Pause. Winter hörte Krach im Hintergrund oder besser gesagt im Vordergrund. Es musste der Regen sein, der gleichsam wie ein Vorschlaghammer auf einen Amboss schlug.
    »Winter! Ich hab …«
    Und hier wurde die Verbindung unterbrochen, vielleicht vom Unwetter. Ein Sendemast war vermutlich ausgefallen. Aber die Stimme hatte er erkannt.
    Es war Richard Salko, der Portier vom Hotel »Revy«.
    Salko hatte Winter eine Liste der Angestellten übergeben. Christer Börges Name war nicht darauf gewesen. Was nichts heißen musste. Bis jetzt hatte Winter noch keine Zeit gehabt, alle Angestellten zu überprüfen, die dort im Lauf der Jahre gearbeitet hatten.
    Salkos Stimme hatte aufgeregt geklungen.
    Es gab keine Nummer, die er anrufen könnte. Das Gespräch war von einem privaten Anbieter gekommen. Aber Winter hatte Salkos Privatnummer im Telefonbuch seines Handys. Er tippte sie ein, wartete, lauschte eine Weile dem einsamen Klingeln am anderen Ende, drückte schließlich auf Aus, warf das Handy auf den Beifahrersitz und fuhr bei Rot über die Övre Husargatan. Weit und breit war niemand, mit dem er zusammenzustoßen drohte. Die Ampelschaltung schien im Sturm ihren Geist aufgegeben zu haben.
    Als er in die Vasagatan einbog, meldete sich erneut sein Handy. Glühte auf dem Ledersitz auf, als hätte es Feuer gefangen. Winter griff nach dem Handy, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. »Ja?«
    »Erik. Wo bist du? Was ist eigentlich los?«
    »Ich bin in der Vasagatan«, sagte er.
    »Schön.«
    »Ich will noch etwas überprüfen.«
    »Auf der Vasagatan?«
    »Ja.«
    »Was?«
    »Christer Börge. Ich bin auf dem Weg zu ihm.«
    »Jetzt? Kann das nicht noch ein paar Stunden warten?«
    »Nein.«
    »Mach keine Dummheiten«, sagte Angela. »Und mach sie vor allen Dingen nicht allein.«
    »Ich mach keine Dummheiten«, antwortete er.
    Vielleicht war es dumm, Börges Tür mit einem Dietrich zu öffnen. Aber auf sein Klingeln hatte niemand reagiert. Er hatte Börge genügend Zeit gelassen.
    Langsam schob Winter die Tür auf. Keine Post auf der Matte dahinter. Keine Zeitungen. Es war noch zu früh für die Morgenzeitung, aber Winter bezweifelte, dass die Zeitungsboten sich an diesem Morgen

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