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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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glaube nicht, dass er schwul ist.« Winter lächelte wieder. »Und wenn er es ist, scheiß ich drauf.«
    »Aber das tut er vielleicht selber nicht«, sagte Ringmar, »drauf scheißen.«
    »Meinst du, er braucht ein Gespräch?«, fragte Winter.
    Ringmar zuckte mit den Schultern.
    »Hanne kommt nach Weihnachten zurück.«
    »Ach?«
    Die Pastorin Hanne Östergaard war mehrere Jahre Polizeiseelsorgerin gewesen. Bei komplizierten Fällen hatte Winter oft eng mit ihr zusammengearbeitet. Das war hilfreich gewesen, für ihn und für andere. In den vergangenen zwei Jahren war sie als Seemannspastorin in Sydney gewesen. Als sie den Job bekam und sie Winter davon erzählte, hatte er sie gefragt, ob man sich noch weiter von Göteborgs Unterwelt entfernen könnte. Sie hatte es verneint. Eine Vertretung hatten sie für sie nicht bekommen. So war das bei der Polizeiverwaltung. Das Leid der Kollegen musste warten. Vielleicht ging es ja von selbst vorbei.
    Ein Netz von schwarzen Vögeln breitete sich über den Baracken am anderen Flussufer aus. Es wirkte, als nähere sich mehr Regen. Das Geheul eines Schleppers. Der Fluss hatte seine eigenen Sirenen.
    »Ich möchte nicht zu energisch auftreten«, sagte Winter, zog Rauch ein und blies ihn wieder aus. Die Rauchschwade schwebte übers Wasser, jetzt hatte der Wind gedreht. »Das führt meistens in die falsche Richtung.«
    Ringmar trat gegen einen kleinen Stein. Der hüpfte dreimal auf dem Wasser.
    »Hast du das lange trainiert?«, fragte Winter.
    »Du solltest erst mal sehen, was ich mit der linken Hand alles kann.«
    Winter beobachtete, wie der Vogelschwarm nach Süden abbog und direkt auf sie zugeflogen kam. Er konnte immer noch nicht erkennen, ob es Krähen, Elstern oder Dohlen waren. Man konnte es an den Flügelschlägen hören.
    »Sie hat geschrieben, sie wolle wie ein Vogel werden«, sagte Winter und folgte dem Schwarm mit seinen Blicken, als der über sie hinwegflog, dann weiter nach Süden, kleiner und schließlich vom Grau des Himmels gleichsam aufgesogen wurde. »Sie wollte wie ein Vogel werden, der vorbeifliegt.«
    Ringmar antwortete nicht. Winters Blick kehrte zu ihm zurück. Ringmar schien blasser geworden zu sein. Das konnte vom Licht herrühren, es ließ alles blass erscheinen.
    »Wir haben Oberfläche und Inhalt dieses Briefes analysiert, sind aber nicht viel schlauer geworden«, sagte Winter.
    »So etwas haben wir noch nie erlebt.«
    »Wir haben keinerlei Anhaltspunkte. Manchmal ist das auch von Vorteil.«
    Ringmar trat wieder gegen einen Stein. Diesmal erreichte er den Kai nicht damit. Ein Mann auf einem Moped mit Anhänger fuhr vorbei. Er grüßte nicht. Winter drehte sich um. Der Mann hielt bei einem der Boote, einem kleinen Trawler, der erst kürzlich frisch gestrichen worden war. Der Trawler wirkte seetüchtig. Der Mann trug eine rote Wollmütze. Er verschwand unter Deck. Dieser Schoner schafft es bestimmt über den Äquator, dachte Winter.
    »Gibt es noch mehr Briefe?« Ringmar zielte, trat aber nicht gegen den Stein.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich weiß nicht … Vielleicht hat Paula so was früher schon mal geschrieben … als es natürlich nicht um Mord oder Kidnapping ging … Ob sie früher schon einmal etwas Ähnliches geschrieben hat?«
    »An wen?«
    »Die Eltern.«
    » Das hätten sie ja wohl erzählt, oder?«
    Ringmar antwortete nicht.
    Winter hörte das Moped starten. Er drehte sich um. Der Mann mit der Wollmütze wendete und fuhr an ihnen vorbei. Auf dem Anhänger lag ein voller Müllsack, der mit einem gemeinen Laut hüpfte, als das Moped an ihnen vorbeifuhr.
    »Die können doch nicht alles verschweigen«, fuhr Winter fort.
    »Woher stammt das Geld für Paulas Wohnung?«
    Mario Ney hatte den Kaufvertrag für die Eigentumswohnung in Guldheden unterschrieben. Ihm gehörten neun Zehntel.
    »Spielt das eine Rolle?«, fragte Winter.
    »Es war viel Geld«, sagte Ringmar.
    »Ein Erbe aus Sizilien?«
    Ringmar lächelte. »Bist du schon mal dagewesen, Erik?«
    »Ja, vor ungefähr zehn Jahren. Taormina. Aber das war wohl nicht Sizilien.«
    »Was ist es dann?«
    »Ein Traum von Sizilien. So sieht die Wirklichkeit dort nicht aus.«
    »Ich möchte wissen, wie Mario Neys Wirklichkeit aussah.«
    »Darüber wollte er nichts sagen.«
    »Nee, eben.«
    »Hat er es schon mal getan?« Ringmar blieb stehen. Der Kai war nass, und das Straßenpflaster glänzte.
    »Der Mörder? Ob er schon mal gemordet hat? Meinst du das?«
    »Ja. Und das Opfer oder die Opfer gezwungen hat,

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