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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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aber die Schuhe bewegten sich nicht. Was war es für eine Marke? Sie war keine Expertin für Herrenschuhe. Aber sie war eine sehr gute Beobachterin.
    Sie hob den Telefonhörer ab.
    »Versucht er, sich zu verstecken?«, fragte Halders.
    »Oder er beobachtet«, sagte Ringmar.
    »Es ist ja wohl nicht normal, sich ausgerechnet dort hinzustellen«, meinte Aneta Djanali.
    »Vielleicht wärmt er sich auf«, sagte Bergenhem.
    »In den Tagen hatten wir eine Hitzewelle«, wandte Aneta Djanali ein.
    »Lass es noch mal laufen«, sagte Winter.
    Das Video lief noch einmal. Der Mantel bewegte sich, die Schuhe blieben unbewegt. Winter konnte sehen, dass es derselbe Mantel war, dieselben Schuhe.
    »Was macht er da? Das erste Mal?«, fragte Bergenhem.
    »Er kontrolliert sie natürlich«, sagte Halders.
    »Dass der Koffer wirklich im Schließfach landet?«
    »Ja.«
    »Warum holt er ihn nicht sofort heraus?«
    »Weiß ich nicht.«
    »Warum überhaupt dieser Umweg über die Schließfächer?«, fragte Aneta Djanali.
    »Genau«, sagte Ringmar.
    »Die Frau stellt etwas hinein, von dem wir glauben, dass es Paulas Koffer ist. Dieser Mann beobachtet, wie sie es tut. Kontrolliert sie vielleicht. Dann wartet er sechs Stunden, ehe er ihn herausholt? Warum?«
    »Und warum nimmt er das doppelte Risiko auf sich, entdeckt zu werden?«, fragte Ringmar.
    »Das war Absicht«, sagte Winter.
    Alle im Zimmer wandten sich ihm zu.
    »Dieser Film wurde für Publikum aufgenommen«, fuhr Winter fort. »Und das Publikum sind wir.«
    »Die haben Regie geführt?«
    Das war Bergenhem.
    Winter nickte. »Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein. Wir sollten es sehen. Sie wussten, dass wir es uns anschauen und darüber nachgrübeln würden, was es zu bedeuten hat.«
    »Und was hat es zu bedeuten?«, fragte Aneta Djanali.
    »Irgendein teuflisches Spiel«, meinte Halders. »Die spielen mit uns.«
    »Aber warum?«, fragte Bergenhem.
    »Das ist immer eine gute Frage«, sagte Halders.
    »Wir sollten uns diese Schuhe näher anschauen«, schlug Ringmar vor.
    »Sehen aus wie Ecco Free«, sagte Halders.
    »Gibt’s die heute wirklich noch?«, fragte Bergenhem.
    »Jeder gut sortierte Schuhladen der Stadt verkauft ungefähr zwanzig Paar Ecco Free im Jahr«, sagte Ringmar.
    »Das klingt nicht nach viel«, sagte Bergenhem. »Wahrscheinlich an Stammkunden?«
    »Vielleicht vor zwanzig Jahren«, sagte Aneta Djanali.
    »Warum ausgerechnet vor zwanzig Jahren?«, fragte Winter.
    »Was?«
    »Wieso gehst du in Gedanken ausgerechnet zwanzig Jahre zurück?«
    »Das … weiß ich nicht. Ich hätte ebenso gut dreißig sagen können.«
    Halders schwieg. Er betrachtete die Schuhe auf dem Bildschirm. Sie warteten auf die Vergrößerung. Die Schuhe wirkten sauber, fast wie unbenutzt. Die Sohle war derb.
    »Ich hab so welche gesehen«, sagte Halders, »und zwar erst kürzlich.« Er starrte auf den Bildschirm. »Wo habe ich sie nur gesehen?«
    Winter erhob sich. In dem kleinen Zimmer roch es stark nach Kaffee. Ihm war gerade ein Plastikbecher auf dem Tisch umgekippt.
    Halders war in letzter Sekunde zur Seite gesprungen, um nichts von dem heißen Kaffee auf die Schenkel zu bekommen.
    »Mensch, pass doch auf!«
    Winter holte Papierhandtücher und entschuldigte sich, als er zurückkam.
    »Wie kann man bloß so tollpatschig sein!«, ereiferte sich Halders.
    »Ein kleiner Unfall«, sagte Ringmar.
    »Der Junge ist ein wandelnder Unfall.« Halders konnte sich gar nicht beruhigen.
    »Ich hab mich doch entschuldigt«, sagte Winter und wischte den Tisch ab.
    »Stell dir vor, auf dem Tisch hätten entscheidende Beweise gelegen«, sagte Halders. »Fingerabdrücke, Blutspuren, Notizen, Unterschriften. Schuhabdrücke.«
    Winter antwortete nicht. Nach einigen Monaten im Dezernat hatte er sich an Halders gewöhnt. Und das mit dem Kaffee war ein Unfall gewesen. Winter hatte den Verdacht, dass Halders einen anderen Verdacht hegte, das lag in Halders’ Natur.
    Die Tür öffnete sich, und Birgersson betrat den Raum.
    »Was ist denn hier los?«
    »Nichts«, sagte Ringmar.
    »Hast du eine Minute Zeit, Erik?« Birgersson zeigte mit dem Daumen zur Tür.
    Winter folgte ihm über den Korridor in sein Büro. Der Weg erschien ihm lang, als erwarte ihn am Ende des Marsches ein Verweis.
    »Setz dich«, sagte Birgersson und stellte sich ans Fenster. Draußen war es später Oktober. Von Winters Platz aus schien es, als wäre über Nacht eine Mauer vor dem Fenster errichtet worden, die von der Erde bis zum Himmel reichte. Sie

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