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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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dem Haus?«
    Der Junge nickte.
    »Kannst du nicht reden?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. Seine Haare waren dunkel, wirkten aber hell im Licht der Straßenlaterne. Plötzlich ging es Winter auf. Der Junge weiß etwas. Er steht hier, weil er etwas weiß. Er hat etwas gesehen.
    Auch aus dieser Entfernung konnte Winter seine Augen erkennen. Ein Leuchten schien von ihnen auszugehen.
    Winter schauderte. Ihm standen die Haare zu Berge. Der Junge schaut mich an. Diese Augen. Der Hund zerrt an der Leine. Der Junge zeigt wieder in diese Richtung. Worauf zeigt er denn nur? Auf den Waldrand. Seine Hand zittert wie Espenlaub. Sie ist genauso dünn. Jetzt bellt der Hund. Wie verrückt. Was haben sie gesehen, der Junge und der Hund? Das Wäldchen. Sie wollen, dass ich hingehe.
    »Möchtest du mir etwas zeigen?«, fragte Winter. »Dahinten? Im Wäldchen?«
    Der Junge nickte.
    »Was denn?«
    Der Junge antwortete nicht.
    Winter blickte sich um. Kein Mensch war in Sicht. Der Wind zerrte an allem, was er zu fassen bekam. Das Laub warf tanzende Schatten auf die Hausfassaden. Wie in einem Film, der mit doppelter Geschwindigkeit ablief. Bis zu den Bäumen waren es fünfzig, vielleicht sechzig Meter. Es war nur ein Wäldchen, eine kleine Oase in der Steinwüste. Die Birken schwankten wie lichte Palmen.
    Die Augen des Jungen waren groß und voller Angst. Winter wollte nicht, dass er seine Pistole sah, und legte die Hand auf den Kolben in der Tasche. Er schaute zum Auto. Das war näher als das Wäldchen.
    »Ich will nur mal eben was holen«, sagte er, ging zum Auto, öffnete die rechte Tür und nahm eine Taschenlampe heraus. Halders hatte die andere. Die Taschenlampe war schwerer als die Waffe. Winter hielt sie hoch, damit der Junge sie sehen konnte. Es war ein beruhigender Gegenstand. Eine Taschenlampe strahlte Ruhe aus, auch eine nicht eingeschaltete, aber meistens nur für den, der sie in der Hand hielt. Eine Pistole konnte auf ähnliche Weise beruhigend wirken. Aber nicht in diesem Augenblick.
    Als sie den Spielplatz überquerten, begann der Hund wieder zu bellen und an der Leine zu zerren. In ihm schienen sich wer weiß was für Rassen zu mischen. Jetzt war er auf der Jagd, aus einem Instinkt heraus. Er witterte etwas im Wind, das kein Mensch wahrnehmen konnte.
    Winter richtete den Lichtstrahl zwischen die Bäume und sah den Jungen an. Der Hund war verstummt, aber die Leine blieb gespannt. Der Junge konnte ihn kaum halten.
    Winter ging auf den Waldrand zu, den Lichtstrahl auf den Boden gerichtet, der weiß wurde, das Laub, die Erde, Gras, Sand, Steine. Der Junge war vor dem Wäldchen stehen geblieben. Winter kehrte zu ihm zurück.
    »Ich sehe nichts«, sagte er.
    Der Junge zeigte wieder in den Wald.
    »Wo?«, fragte Winter. »Wo ist es?«
    Der Junge hatte sich einem Gebüsch genähert, vom Hund förmlich dorthin gezerrt.
    Der Junge deutete auf den Boden. Winter leuchtete mit der Taschenlampe, Laub, Erde, Gras, Sand, Steine. Einige Steine waren im Halbkreis angeordnet, wahrscheinlich Reste von einem Lagerfeuer. Winter bückte sich. Auf den Steinen waren dunklere Flecken, aber das mochte Feuchtigkeit sein oder Moos.
    Wieder suchte er den Blick des Jungen. »Hast du hier etwas gesehen?«, fragte Winter.
    Der Junge antwortete nicht, er starrte immer noch nach unten.
    »Hier ist nichts«, sagte Winter.
    »Eine … eine … Hand«, sagte der Junge.
    »Was?« Winter hockte sich hin. »Was hast du gesagt?«
    »Da hat eine Hand gelegen.«
    Sie saßen am Küchentisch, auf dem eine Vase mit Schnittblumen stand, deren Namen Winter nicht kannte. Blumen, Vögel, Pflanzen, davon verstand er nicht viel. Laub, Erde, Gras, Sand, Steine, das war eher sein Gebiet.
    Der Junge war elf Jahre alt. Er hieß Jonas. Hier drinnen wirkte er genauso verfroren wie draußen. Vor ihm stand eine Tasse Kakao. Seine Mutter saß neben ihm. Sie sah jung aus, musste aber älter sein als Winter, mindestens über dreißig. Winter erkannte ihre Züge in dem Gesicht des Jungen wieder, nicht alle, doch am Tisch saß kein Vater, mit dem er ihn hätte vergleichen können.
    »Wir waren nicht zu Hause«, sagte die Mutter. Sie hieß Anne Sandler. Ihr Vorname und der des Jungen standen auf dem Namensschild an der Tür. Auch dort keine Spur von einem Vater.
    Winter hatte nach Zeiten gefragt. Anne und Jonas waren jedoch nicht zu Hause gewesen, als der Zeuge Metzer die mutmaßliche Auseinandersetzung in Martinssons Wohnung meldete.
    »Wir waren im Hallenbad.«
    Winter nickte.
    Jonas

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