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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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trank einen Schluck Kakao. Winter hatte ihn dankend abgelehnt, eine Tasse Kaffee aber gern angenommen. Der Kaffee war stark und heiß.
    »Er ist nicht einer, der sich was ausdenkt«, sagte Anne Sandler mit Blick auf ihren Sohn.
    Der Junge hatte nicht viel gesagt, seit sie hereingekommen waren. Der Hund war auch ruhig. Er hatte seinen Teil beigetragen.
    »Du lieber Gott.« Anne Sandler starrte ihren Sohn an.
    »Es war eine Hand«, sagte er.
    Winter nickte dem Jungen zu. Inzwischen sah er nicht mehr ganz so verfroren aus.
    »Mit Fingern und allem.«
    »Ich glaube dir«, sagte Winter.
    »Sie reichte bis hier.« Der Junge zeigte auf sein Handgelenk.
    »Du lieber Gott«, wiederholte Anne Sandler.
    »War sie groß?«, fragte Winter. »Die Hand eines Erwachsenen?«
    »Ich weiß nicht … eher klein.« Der Junge betrachtete seine Hand wie zum Vergleich. »Aber es war ja ziemlich dunkel.«
    »Können wir jetzt aufhören?« Anne Sandler schaute Winter flehend an.
    »Bald«, sagte er und wandte sich wieder an den Jungen.
    »Wie eine Kinderhand?«
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Wie die Hand … einer Frau?«
    »Vielleicht«, sagte Jonas.
    Seine Mutter schaute auf ihre Hände, nahm sie vom Tisch, legte sie in den Schoß.
    »Es war ja dunkel«, fuhr Jonas fort.
    »Aber du hast sie trotzdem gesehen?«
    »Ja. Dahinten steht eine Straßenlaterne, und Zack hat mehr gebellt als üblich.«
    »Dieser Hund«, seufzte Anne Sandler, »der macht doch gar nichts anderes als bellen.«
    »Ich bin ja dabei, ihn zu erziehen«, sagte Jonas zu seiner Mutter.
    »Dafür ist es zu spät«, fand sie. »Er ist zu alt.« Sie schaute Winter an, und er begriff, dass das Reden über den Hund sie beruhigte. »Genau wie man sagt: Einem alten Hund kann man nichts mehr beibringen.«
    »Zack gehorcht auf Sitz. Das hab ich ihm beigebracht«, protestierte Jonas.
    »Du hast die Hand deutlich gesehen?«, fragte Winter.
    Der Junge nickte, schaute zu dem Hund, der ordentlich mitten in der Küche saß, und nahm wieder einen Schluck Kakao. Er schaute auf. »Aber sie sah nicht echt aus.«
    »Wie meinst du das, Jonas?«
    »Sie war weiß. Wie aus Plastik. Oder Gips.«
    »Jetzt reicht es aber«, sagte seine Mutter, erhob sich und trug Winters halb ausgetrunkene Kaffeetasse zur Spüle. Winter hörte, wie der Rest Kaffee im Spülbecken landete.
    Sie fuhren über die Älvborgsbrücke zurück. Im Osten glitzerte das Zentrum wie eine Festbeleuchtung. Im Westen öffnete sich der Fluss zum Meer. Die Schwärze wurde breiter, größer. In den letzten Stunden war die Temperatur gesunken. Vielleicht schneit es bald, dachte Winter. Schnee im Oktober. Weiß auf dem Boden.
    »Ist der Junge glaubwürdig?«, fragte Halders.
    Winter zuckte mit den Schultern. »Ich glaube schon.« Er hielt sich an der Armlehne fest, als Halders durch den Autobahnkreisel in Richtung Karl Johansgatan kurvte. »Aber es kann wer weiß was gewesen sein. Die Beleuchtung war nicht die beste.«
    »Jedenfalls hast du Flecken entdeckt?«
    »Ja. Aber die können auch von wer weiß was gewesen sein.«
    »Unsere Freunde von der Spurensicherung werden schon herausfinden, was es war.«
    Winter schwieg. Er würde bald keine Freunde mehr bei der Spurensicherung haben, wenn er überhaupt je welche gehabt hatte. Sie waren jetzt auf der Umgehungsstraße, die am Fluss entlangführte. Die Werftkräne auf der anderen Seite reckten sich regungslos in den Himmel. Als wollten sie an etwas erinnern, an das sich bald niemand mehr erinnern würde. Es hing mit dieser Stadt zusammen. Alles, was einer Stadt ein Gesicht gab, war verschwunden. Göteborg hatte jetzt viele Gesichter. Die meisten zeigten sich nicht. Man konnte sie nicht sehen.
    »Die haben sich vielleicht gefreut, unsere Freunde«, sagte Halders. »Ein neuer Fundort, und das nur fünfzig Meter entfernt vom ersten.«
    »Ja, sie haben richtig gestrahlt.«
    Die Neonlichter wurden zahlreicher, je näher sie dem Zentrum kamen. Halders hielt vor einer roten Ampel. Einige festlich gekleidete Leute überquerten den Fußgängerüberweg in Richtung Lilla Bommen. Niemand beachtete die jungen Kriminalassistenten in Zivil.
    »Nun brauchen wir nur noch das Ehepaar Martinsson zu finden und sehen, ob einem von ihnen eine Hand fehlt«, sagte Halders.
    »Wenn, dann der Frau«, sagte Winter.
    »Die Mutter und der Junge kennen sie nicht, hast du gesagt?«
    »Nein, nein. Das ist kein ach so nettes Reihenhausviertel, Fredrik. Nicht mal die Leute im selben Block kennen einander.«
    »Aber sie

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