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Zimmer Nr. 10

Titel: Zimmer Nr. 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Wohnungstüren war es still. Winter hatte keine erleuchteten Fenster gesehen. Es war, als sei das ganze Haus geräumt. Davon hatte der Anrufer nichts gesagt. Er hatte nur von dem Wahnsinnskrach erzählt, dem Wahnsinnsgetümmel. Davon war jetzt nichts mehr zu hören. Im Treppenhaus herrschte eine unheimliche Stille, die schlimmste, als wartete sie nur auf sie. Winter hatte gelernt, Stille einzuschätzen. Früher oder später würde sie anfangen zu brüllen.
    »Die Nächste«, flüsterte Halders.
    Winter nickte. Das dünne Licht auf dem rauen Putz im Treppenhaus kam von der Straßenbeleuchtung. Es hatte einen weiten Weg bis hier herauf. Sie standen neben der Tür, jeder an einer Seite. Mitten in der Tür war ein Spion. Halders drückte auf den Klingelknopf. Der Ton war sehr laut, wurde noch von der Stille verstärkt. Es war ein schriller Klingelton, wie von einem altmodischen Wecker, keine Melodie. Selbst Halders’ Singen war melodischer gewesen, verglichen mit diesem Klingeln. Halders drückte noch einmal. Wieder schrillte und schnarrte es im Flur hinter der Tür. Mehr hörten sie nicht, keine Stimmen, keine Schritte. Winter bückte sich und hob vorsichtig die Klappe über dem Briefeinwurfschlitz an. Dunkelheit. Dann konnte er die Konturen des Teppichs hinter der Tür ausmachen. Von irgendwo in der Wohnung fiel ein schwaches Licht in den Flur, wahrscheinlich durch ein Fenster.

19
    Winter hob den Kopf und nickte Halders zu. Halders schlug mit der Faust gegen die Tür. »Polizei! Aufmachen!«
    Winter lauschte auf Geräusche von drinnen. Immer konnte man irgendetwas hören, keine Stille war vollständig stumm.
    »Aufmachen!«, wiederholte Halders. Wieder schlug er leicht mit der Faust gegen das Türfutter. Es klang dünn, hohl. Noch ein Schlag, und Halders wäre mit der Faust hindurch. Sie standen immer noch im dunklen Treppenhaus. Niemand kam aus seiner Wohnung und machte Licht oder fragte, was zum Teufel los sei.
    Drinnen war nichts zu hören. Draußen brauste es. Wieder Wind. Oder ein Ventilator.
    Winter dachte an die aufgeregte Stimme am Telefon: »Die schreien da drinnen! Eine Frau schreit!«
    Halders legte ein Ohr an die Tür.
    Winter rüttelte an der Türklinke, drückte sie herunter. Die Tür gab nach.
    »Scheiße, die ist ja gar nicht abgeschlossen«, entfuhr es Halders.
    »Sei vorsichtig.«
    Halders nickte. Langsam öffnete er die Tür. Winter spürte seinen Puls, wie er die Waffe in der Hand spürte. Es war ein Gefühl wie – JETZT. Diese Situation konnte man nicht trainieren, nicht wirklich. Die Dunkelheit in der Wohnung konnte wer weiß was verbergen. Sie zu betreten konnte bedeuten, sich von der Welt verabschieden zu müssen. So ein Gefühl hatte er in diesem Moment. Häufig hatte er dieses Gefühl noch nicht gehabt.
    »Ich mach Licht«, sagte Halders. »Sei bereit.«
    Der Flur wurde explosionsartig hell. Winter schützte seine Augen mit der linken Hand. Sie warteten zehn Sekunden, dann drangen sie ein. Auf dem Fußboden lag Kleidung verstreut, Schuhe, Ober- und Unterbekleidung.
    Langsam gingen sie von Zimmer zu Zimmer. In der Wohnung war niemand.
    Auf dem Fußboden in der Küche waren Zeitungen ausgebreitet, darüber war etwas Rotes geflossen. Die Zeitungen lagen dort wie zum Schutz, als wäre das Rote Farbe. Winter sah eine Überschrift, aber sie sagte ihm nichts. Er sah Bilder.
    »Was zum Teufel ist das?«, fragte Halders.
    Winter schwieg. Er bückte sich, musterte die Flecken. Es hätte Farbe sein können. Er hätte Maler sein können.
    »Es ist ziemlich viel.« Halders drehte sich um und starrte Winter an. »Ist dir schlecht?«
    »Nein.«
    »Du bist blass, Junge.«
    »Was ist hier passiert?«, fragte Winter.
    Halders drehte sich wieder um. »Was auch immer passiert ist, es ist vorbei.«
    »Auf der Treppe war kein Blut«, sagte Winter.
    »Das wissen wir noch nicht, oder? Die Spurensicherung ist ja schließlich noch nicht hier.«
    Wonach sollen die suchen?, dachte Winter. Was für ein Verbrechen wurde hier begangen? Wenn es ein Verbrechen war.
    »Jemand könnte sich ja beim Schinkenschneiden in den Arm geschnitten haben«, flachste Halders. »Oder ein paar Küken geschlachtet haben. Was glaubst du?«
    »Wo ist das Messer?«
    »Er hat vergessen, es wegzuwerfen«, sagte Halders.
    »Wo ist es dann?«, fragte Winter.
    »Das hat er vergessen«, antwortete Halders.
    Winter sagte nichts zu Halders’ absurdem Kommentar.
    »Wir müssen mit dem Zeugen sprechen«, sagte Halders.
    »Der wohnt doch nicht

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