Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
spüren.
»Schön,
dass du da bist.« Die Stimme Annas, der Haushälterin, riss ihn aus seinen Gedanken.
Er musste geklingelt haben, ohne es bewusst wahrzunehmen.
»Komm herein.«
Wie immer trug sie eine blütenweiße Schürze und kaum hatte sie ihn begrüßt, machte
sie schon wieder auf dem Absatz kehrt. Er blickte auf das breite Band, das über
ihrem Hinterteil wie eh und je zu einer ordentlichen Schleife gebunden war. Abrupt
drehte sie sich zu ihm um. »Willst du gar nicht wissen, was es zu essen gibt?«
»Rheinischen
Sauerbraten?«, fragte er. Seit Jahren gehörte die Frage nach dem Essen dazu. Anna
lachte. Dann tauschten sie einen verschwörerischen Blick, denn vor vielen Jahren
hatten sie einen Pakt geschlossen. Die Haushälterin tat alles, um zu verhindern,
dass seine Mutter, die nie kochen gelernt hatte, ihrem Sohn, wenn er kam, von ihr
selbst zubereitete rheinländische Gerichte vorsetzte, und dafür revanchierte Florian
sich mit LPs und CDs von Peter Alexander, Annas erklärtem Lieblingssänger.
»Nein, heute
gibt es etwas Leichtes«, sagte sie augenzwinkernd und fügte hinzu: »Gnocchi in Salbeibutter
mit Tomatenmus. Ich besuche gerade einen italienischen Kochkurs.«
Florian
lächelte und drückte Anna an sich. »Toll. Wo ist Mutter?«
»Im Wohnzimmer.
Sie nimmt einen Aperitif.«
Als er den
Wohnraum betrat, der durch die hohen Decken, das dunkle Parkett, die teuren Möbel
und dicken Teppiche wie immer eine Spur zu herrschaftlich auf ihn wirkte, kam Marie-Louise
Halstaff ihm entgegen und sie reichte ihrem Sohn wie üblich die Wangen zum französischen
Kuss. Seine Mutter brachte das Kunststück fertig, trotz der körperlichen Berührung
Distanz zu wahren, denn sie war darauf bedacht, dass er weder ihr Make-up noch ihre
Frisur in Unordnung brachte.
»Grüß dich,
was darf ich dir anbieten?«, fragte sie und fügte hinzu: »Du schaust mitgenommen
aus.«
Florian
zuckte mit den Schultern, den Satz kannte er, aber heute hatte sie vermutlich recht.
»Einen Cognac«, antwortete er. Marie-Louise Halstaff runzelte die Augenbrauen, was
Florian zum Anlass nahm, mit Nachdruck zu sagen: »Einen doppelten Cognac.«
Schweigend
griff seine Mutter einen Cognacschwenker aus der Glasvitrine und schenkte ein.
»Sabrina
ist tot«, sagte er, nachdem er einen Schluck genommen hatte.
»Ich weiß,
ich habe es heute früh in der Zeitung gelesen. Außerdem ist ihr Tod im Club Gesprächsthema
Nummer Eins.« Marie-Louises Stimme war nicht anzumerken, ob sie traurig war, allerdings
bemerkte er in ihren Augen einen feuchten Glanz. Wie auch sonst war sie darauf bedacht,
Haltung zu zeigen und sich Gefühlsregungen so wenig wie möglich anmerken zu lassen.
»Komm, lass uns hinaus auf die Terrasse gehen«, schlug sie vor.
Florian
folgte ihr nach draußen, wo er sich schwer auf einen der weißen Holzstühle sinken
ließ, die um den Esstisch herum gruppiert waren.
»Es heißt,
sie sei erschossen worden«, sagte seine Mutter und strich einen Fussel von ihrem
hellen Sommerrock. Er verspürte einen leichten Stich und wünschte sich, sie würde
nicht so ungerührt reagieren. Sie und Sabrina hatten sich immerhin mehr als 13 Jahre
gekannt. »Falls es ein Raubüberfall war …« Sie hielt einen Moment inne. »Muss man
sein Opfer denn gleich erschießen? Als Frau kann man sich inzwischen abends nirgends
mehr allein hin trauen.«
»Nein.«
Florian setzte das Glas an seine Lippen. »Vielleicht war sie ja in Begleitung.«
Marie-Louise
machte eine vage Handbewegung. »Weiß dein Journalistenfreund vom Kölner Blick mehr als das, was über ihren Tod gedruckt wurde?«
»Eddie Klump?«
»Ja, ich
glaube, den meine ich.« Seine Mutter griff sich eine Pistazie aus der Glasschale,
die auf dem Tisch stand. Florian fiel auf, dass sie tatsächlich nur eine nahm, und
wie so oft irritierte ihn ihre Disziplin.
»Wir haben
zusammen telefoniert«, antwortete er und dachte daran, dass er sofort zum Hörer
gegriffen hatte, nachdem er die Meldung gelesen hatte.
»Und?« Neugierig
sah sie ihn an.
»Er war
vor Ort, als sie gefunden wurde. Du weißt, der Kölner Blick pflegtgute
Kontakte zur Polizei. Ihr Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert.«
»Das ist
ja grauenvoll.« Seine Mutter sah ihn entsetzt an. Nach einem Moment fragte sie:
»Warum haben sie in der Zeitung nichts davon geschrieben?«
»Aus ermittlungstechnischen
Gründen vermutlich.«
»Gibt es
denn schon einen Verdächtigen?«
»Keine Ahnung.«
Florian wiegte den
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