Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
verständigt?«
»Wir dachten,
das übernehmen Sie.« Rössners junger Kollege trat von einem Bein auf das andere
und schlug erneut die Augen nieder. Rössner kam plötzlich der Gedanke, dass er nicht
den richtigen Beruf ergriffen hatte.
»Immer das
Gleiche«, sagte er und in diesem Moment vermisste er seine Mitarbeiterin Sylvia
Gerlach, die heute ihren freien Tag hatte. Frauen waren besser dazu geeignet, schlechte
Nachrichten zu überbringen als Männer. Jedenfalls machte Sylvia Gerlach das besser
als er.
Sein Blick
wanderte über das Wasser des Weihers, es schimmerte inzwischen dunkel im Frühabendlicht.
Ein paar Enten zogen ruhig ihre Bahn, und ein paar Sekunden gab er sich der Friedlichkeit
des Bildes hin, bevor er sich mit einem Ruck erneut dem jungen Kollegen zuwandte.
»Wo finde ich den Mann, der sie entdeckt hat?«
»Im Haus
am See, er wartet auf der Terrasse auf Sie.«
Marko Rössner
sah ein letztes Mal auf die Leiche. Für die anderen unhörbar murmelte er ein paar
Sätze vor sich hin, so machte er es mit allen Toten. Er wünschte ihnen Frieden und
Engel, die sie im Jenseits begleiteten. Dann stapfte er nach einem kurzen Abschiedsgruß
davon. Erst würde er mit dem Rentner sprechen und anschließend würde er dem Ehemann
die Botschaft überbringen. Und wenn er endlich zu Hause war, würde er sich eine
kalte Dusche genehmigen.
Freitag, 01. Juli
Mit gesenktem Kopf ging Florian
Halstaff den vertrauten Weg von der Bahn-Station Rodenkirchen Richtung Auenviertel
zum Haus seiner Mutter entlang. Autos glitten an ihm vorbei, ohne dass die Geräusche
an sein Ohr drangen, und auch die Menschen, die ihm begegneten, nahm er kaum wahr.
Beinahe wäre er mit einem Fußgänger zusammengeprallt. Er war immer noch tief betroffen.
Seitdem er am Vormittag in der Redaktion von Profi Entertainment , der Filmproduktion,
die die semi-aktuelle Talk-Show Diens-Talk produzierte und für die er seit
einigen Jahren als Redakteur arbeitete, in der Zeitung vom Tod Sabrinas gelesen
hatte, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sabrina war ermordet worden,
mit zwei Schüssen getötet, und er fragte sich, was passiert war. Die Polizei bat
die Bevölkerung heute in der auflagenstärksten Tageszeitung, dem Kölner Blick ,
um sachdienliche Hinweise, in der Hoffnung, Zeugen zu finden, die sie und ihren
vermeintlichen Mörder vor ihrem Tod gesehen hatten.
Sabrina.
Noch immer verband er mit ihrem Namen weit mehr als zurückliegende Erinnerungen,
obwohl sie sich seit über zehn Jahren nicht gesehen hatten. Immer wieder hatte er
in den letzten Jahren an sie gedacht. Manchmal wochenlang nicht, aber dann war ihr
Bild kristallklar vor seinen Augen erschienen, und er hatte sich gefragt, ob sie
glücklich war. Von seiner Mutter, die wie sie Mitglied im Rodenkirchener Tennisclub
war und die sich manchmal mit ihr zu einem Match verabredete, wusste er, dass sie
mit einem Amerikaner verheiratet war und eine Tochter hatte. Mit Interesse hatte
er verfolgt, was seine Mutter hin und wieder über sie erzählte, doch manchmal hatte
er es auch gar nicht wissen wollen. Drei Jahre waren sie zusammen gewesen, dann
hatte sie ihn wegen eines anderen verlassen. Zurückgeblieben war das vage Gefühl,
versagt zu haben, was er jedoch außer sich selbst niemandem eingestand.
Als Florian
jetzt in die Straße einbog, in der seine Mutter wohnte, gingen ihm Bilder von längst
vergangenen Sommertagen durch den Kopf. Fast jedes Wochenende waren Sabrina und
er auf dem Fahrrad hinaus gefahren, Richtung Norden, an die Sandbuchten des Rheins.
Sie waren immer nur mit einem Rad unterwegs gewesen, mit seinem . Ihr
Rad hatte sie konsequent im Hinterhof des Hauses stehen lassen, wo sie wohnte. Nicht,
weil sie unbeweglich, unsportlich oder zu faul gewesen wäre, das nicht. Sie hatte
es einfach unendlich viel schöner gefunden, auf seinem Gepäckträger zu sitzen, die
Arme um seine Hüften geschlungen, mit den Beinen Balance haltend, ihm ganz nah.
Er hatte sie beide das Rheinufer entlang geradelt, hin zu den kleinen Buchten hinter
Mühlheim, wo der feine Sand des Rheinstrandes sie bereits erwartete. Sie hatten
sich hinein fallen lassen, gelacht, Kirschen gegessen und sich geliebt, wenn sie
wochentags allein dort waren. Sie hatten Wein getrunken und über all das geredet,
was ihnen wichtig war im Leben. In diesen Stunden hatte die Welt nur aus ihr und
ihm bestanden, und als Florian jetzt an Sabrinas Küsse und Umarmungen dachte, konnte
er noch immer ihre Wärme
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