Zirkus zur dreizehnten Stunde
nichts besseres ein, als –
„Was soll das?“, schrie sie ihn an, drehte sich ruckartig zur Seite. „Was willst du eigentlich?“ Vielleicht war es der Geruch des Blutes, der ihn anzog. Er war Vampir, tief in ihm schlummerte eine Bestie, die sich von diesem Saft ernährte. Die alles dafür tat, ihn zu bekommen.
Er sah sie weiterhin an.
Antigone wich zurück. Sie hatte ihn schon so häufig gesehen, dass sie vergessen hatte, was er wirklich war. Ein Wesen, das grausam mordete, das sich einen Spaß daraus machte andere leiden zu lassen. Cael war bekannt für seine Taten. Er hatte Menschen getötet. Er folterte, bevor er ihnen ihr Blut nahm, stürzte sie in Verzweiflung und Angst. Cael hatte sich einen Namen gemacht. Einen Namen, der weit über seine Rasse hinausreichte. Er war gefürchtet unter Wesen, den Dämonen, selbst unter Engeln.
Jetzt stand er mit diesem Blick vor ihr, den sie noch nie an ihm gesehen hatte, der aber das ausdrückte, was seinen Opfern solche Angst einjagte. Er würde doch nicht etwa sie …
Doch dann entspannte sich die Szene. Er schnaubte abfällig, drehte sich weg von ihr. „Du solltest besser auf alle deine Mitglieder achten.“ Die Nacht schien ihn zu verschlucken. Die Schritte endeten abrupt, als wäre er einfach aufgesogen worden.
Antigone blieb alleine zurück. Alleine mit der Leiche auf ihren Armen. Was meinte er nur? War noch jemand in Gefahr?
Ein Blick über die Schulter stimmte sie melancholisch. Sie hatten das erste Opfer zu beklagen. Das erste in all den Jahren. Damian hatte einen Dämon gerufen. Er hatte einfach ein Wesen hinter dem Schleier benutzt, um zu töten, hatte seine Gefühle nicht im Griff gehabt.
Warum hatte sie nicht erkannt, welche Gefahr er darstellte?
Sie musste sich um Felicitas kümmern. Zumindest um das, was von ihr übrig war. Leichter Wind kam auf, spielte in ihren Haaren. Sie musste sie hier bestatten. Wenn sie sie zurück zum Zirkus brachte, würde vielleicht jemand etwas bemerken. Eine Panik unter ihren Leuten war das Letzte, was sie sich nun leisten konnte.
Der Körper hob sich von ihren Armen, schwebte langsam in der Luft.
„Es tut mir leid, meine Kleine“, war alles, was Antigone flüsterte. Sie streckte die Hand nach ihr aus, berührte sanft ihre Stirn. Ein Licht erschien an ihrem Finger. Ein Schweif zog hinterher, als sie die Hand zurückzog. Ein Seufzen, ein Flüstern im Wind. Der Körper schien sich zu verändern, schien leichter zu werden. Dann strebten Wurzeln aus dem Boden, griffen nach ihm und mit einem Ruck wurde er in die Erde gezogen. Währenddessen schien sich der Körper aufzulösen. Er verschwand wie die Ranken und alles erschien wieder unberührt.
Antigone berührte die Erde: „Ruhe in Frieden.“ Eine kleine Blume erhob sich, wuchs in Sekundenschnelle heran und öffnete sanft ihre Blüte.
Ein Keuchen ließ sie aufsehen. Etwas schleppte sich heran. Eine weitere Gestalt, weiß, gebeugt, daneben eine zweite.
Antigone stand auf und sah angestrengt in die Ferne als …
„Jack?“ Sie lief los. „Faith!“ Panik brach sich in ihrer Stimme als die beiden auf die Knie fielen.
„Was ist passiert?“, Antigone griff nach Faith, die die Augen kurz geschlossen hatte.
„Es … tut mir … leid.“ Das Mädchen hustete. Ihre Kleidung war zerrissen und verbrannt. Aber … was trug sie da überhaupt?
„Wo kommt ihr her?“ Vorsichtig nahm Antigone das Gesicht des Mädchens in beide Hände und zwang sie, aufzublicken.
„Stadt“, es war Jack, der neben ihr keuchte. Sein Blick war stumpf zu Boden gerichtet. „Faith, Hilfe.“
„Was?“ Antigone war verwirrt.
„Ich habe … die Regeln gebrochen.“ Faith zuckte und begann zu zittern. „Es ist meine Schuld.“
„Langsam.“ Die Nacht war schon schlimm genug. Sie hatten schon ein Mitglied verloren. Es durfte kein zweites folgen.
„Lager“, Jack wandte sich ab und lief los. Trotz seiner Verletzungen war er blitzschnell.
„Faith“, Antigone wandte sich wieder an das Mädchen.
„Warum …“, plötzlich schluchzte Faith, „warum sind wir nicht … wie andere Menschen?“
Die Hüterin erschrak. Das Mädchen schien völlig aus der Fassung zu sein. Etwas war geschehen, das sie zu sehr mitgenommen hatte.
Nicht schon wieder, Antigone schluckte. Sie erinnerte sich auch an Jacks Verletzungen. Hatte er seinem Drang nachgegeben? Hatte er …
Faith schloss ihre Augen. Antigone sah auf sie herab. Sie war erschöpft. Jetzt hatte ihr Körper aufgegeben. Die Hüterin nahm sie
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