Zirkusluft
in einer Zelle schmoren zu lassen. Er entschied sich jedoch dagegen, um den Zorn der Türken nicht noch mehr anzuheizen. »Und jetzt sorgen Sie besser dafür, dass dieses Spektakel aufhört, sonst landen Sie und Ihre Freunde auf dem Präsidium.«
Ohne eine Antwort stellte sich Özönder zu seinen Freunden und stimmte wieder in deren Parolen ein.
»Das kann ja heiter werden!«, wurde der Hauptkommissar von Heini Kostkamp empfangen, der, mit einem Brot in der Hand kauend vor Topuz ’ Wohnungstür stand. »Willst du nicht dafür sorgen, dass wieder Ruhe in der Straße einkehrt?«
»Mensch, Heini, soll ich die alle festnehmen lassen? Dann haben wir morgen zehn Mal so viele am Hals.«
»Stimmt auch wieder«, murmelte der Mann von der Spurensicherung und biss herzhaft in seine Stulle.
»Kommt ihr vorwärts?«, wollte Lenz wissen.
»Ziemlich gut, ja. Wir sind zu sechst, da merkt man schon, dass was passiert.«
»Irgendwas Interessantes?«
»Worauf du Gift nehmen kannst. Wie ich dir heute Morgen schon gesagt habe, hat da drin einer mit Essigsäure um sich geworfen, um eventuelle DNA-Spuren zu zerstören. Und das deutet verschärft darauf hin, dass hier kein mittelmäßiger Eierdieb am Werk war, sondern ein ganz und gar professioneller Killer.«
Lenz war immer wieder beeindruckt von Kostkamps blumiger Sprache.
»Also gehst du von einem Täter aus?«
»Ich denke, ja. Es gibt ja kaum Spuren von einem, geschweige denn von einem zweiten.«
»Gut. Kannst du bitte auf Bahnfahrscheine achten, speziell auf einen von gestern Morgen, Kassel–Hannover ?«
»Bis jetzt ist etwas Derartiges nicht aufgetaucht, aber ich behalte es im Auge.«
»Danke. Ich würde gerne seinen PC mitnehmen. Meinst du, das geht?«
»Den aus seinem Büro?«
»Hm«, machte Lenz.
»Kannst du machen, das Büro ist fertig. Aber zieh dir trotzdem was an die Füße, wer weiß, wozu es gut ist.«
Zwei Minuten später kroch der Hauptkommissar unter Topuz ’ Schreibtisch herum, zog die Kabel aus dem Computer, steckte das Gerät in eine große Plastiktüte und trug die Kiste in den Hausflur. Dann fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, nach Bülents Internetabrechnungen zu forschen. Er ging zurück, fand nach kurzem Suchen die Abrechnung eines Kasseler Providers und steckte das Papier zufrieden ein. Zurück im Hausflur, trennte er sich von seinen Einweghandschuhen und den Füßlingen, packte den Rechner auf die Schulter und ging zum Wagen. Der Lärm von der Straße war nicht ein Dezibel leiser geworden.
Er hatte schon den halben Weg zum Präsidium hinter sich gebracht, als er es sich anders überlegte, an einer Ampel wendete, in die Richtung zurückfuhr, aus der er gekommen war, und kurze Zeit später vor dem imposanten Dach des Kasseler Fernbahnhofes Wilhelmshöhe ankam. Dort stellte er seinen Wagen ab, betrat die zugige Halle und ging auf den Informationsschalter zu.
»Lenz, Kripo Kassel, guten Tag. Wer ist bitte für die Auswertung Ihrer Überwachungskameras zuständig?«
Die beiden Frauen hinter der Theke sahen ihn an, als hätte er ihnen einen unsittlichen Antrag gemacht.
» Ähh «, stammelte die linke der beiden, »das weiß ich jetzt auch nicht so genau.« Sie drehte ungelenk ihren massigen Körper und wandte sich nach links zu ihrer Kollegin. »Weißt du das, Rosi?«
»Keine Ahnung. Warum wollen Sie das denn wissen?«
Lenz atmete tief durch, machte ein freundliches Gesicht und sah von einer zur anderen.
»Polizeigeheimnis. Können Sie es bitte herausfinden, mir wäre sehr daran gelegen.«
Rosi, die rechte der beiden, zuckte mit den Schultern, griff zum Telefonhörer und wählte.
»Hielscher vom Info-Counter «, begann sie. »Hier ist ein Herr von der Polizei, der eine Frage wegen der Kameras hat. Können Sie bitte mal runterkommen?«
Nach einer kurzen Pause bedankte sie sich und legte auf.
»Mein Chef ist auf dem Weg, der kann Ihnen sicher weiterhelfen.«
Damit wandte sie sich einer älteren Dame zu, die neben Lenz getreten war. Der Hauptkommissar musste nicht lange warten, bis ein etwa 25-jähriger Mann in blauer Uniform auf ihn zukam.
»Bracht, guten Tag«, stellte er sich vor. »Was kann ich für Sie tun?«
»Sie haben doch auf den Bahnsteigen Kameras, Herr Bracht. Gibt es eine Möglichkeit, sich die Bilder von gestern Morgen anzusehen?«
Der Bahnbedienstete machte eine abwehrende Handbewegung.
»So leid es mir tut, aber wir nehmen gar keine Bilder auf. Die Kameras, die Sie an den Bahnsteigen sehen, dienen
Weitere Kostenlose Bücher