Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zirkusluft

Zirkusluft

Titel: Zirkusluft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
Vom Netzwerk:
Allgemeinen und die deutschen im Besonderen zu mokieren. Sie käme sich vor wie Freiwild, schrieb sie, weil die Kerle immer nur das Eine von ihr wollten. Das aber würde sie nie und nimmer vor der Ehe hergeben. Auch Topuz ’ Antworten wurden mit der Zeit immer vertrauter und sicherer. Allerdings verheimlichte er der Frau, die sich Sylvia nannte, seine Ehefrau und sein Kind. In einer der letzten Mails fabulierte er sogar schon von einer kleinen Familie und dem Umzug nach Frankfurt.
    »Das glaub ich ja gar nicht«, echauffierte sich Lenz. »Dieser Arsch hat Frau und Kind ein Zimmer weiter sitzen und tischt dieser Tussi solche Geschichten auf? Meine Herren!«
    Hain hob eine Augenbraue.
    »Was regst du dich denn so auf? Das ist die moderne, elektronische Welt. In der kannst du lügen und betrügen, dass es nur so kracht. Aber irgendwann, wenn du diese Welt verlässt und es in der Realität weitergehen soll, musst du wahrscheinlich die Hose runterlassen. So wie unser guter Bülent . Der hätte auch irgendwann mit nacktem Arsch an der Wand gestanden.«
    »Das ist doch krank«, wollte Lenz sich nicht beruhigen.
    »Aber die Realität. Und jetzt hör auf, dich so aufzuspulen, hier ist nämlich ein Foto von der Frau.«
    Er öffnete den Anhang einer Mail und pfiff durch die Zähne.
    »Das glaubt die doch selbst nicht, dass ihr die Anbaggerei der Kerle auf die Nüsse geht, so wie die aussieht.«
    Lenz betrachtete das Foto. Es zeigte eine schlanke, hübsche, dunkelhaarige Frau, die fröhlich in die Kamera lachte. Irgendwie erinnerte ihn die Aufnahme an ein Werbefoto.
    »Gibt es irgendwo eine Adresse?«
    Hain durchforstete sämtliche Mails, konnte jedoch weder einen Nachnamen noch eine Adresse finden. Auch hatte Topuz nie danach gefragt oder seine Daten weitergegeben.
    »Komisch«, meinte Lenz.
    »Ja, das ist in der Tat ziemlich merkwürdig. Ich kopiere jetzt ihr Foto und lass es durch unser System laufen. Dann schauen wir, wie weit RW mit der Hannover-Connection ist und ob die beiden tatsächlich gemeinsam aus dem Zug gestolpert sind.«
    »Na ja«, warf Lenz ein, »selbst wenn sie sich wirklich in der Bahn getroffen hätten, Topuz war auf jeden Fall um 10.30 Uhr wieder in der Uni. So viel Zeit haben sie also nicht gemeinsam verbringen können.«
    »Für ein erstes Beschnuppern reicht das doch, oder?«
    Lenz dachte einen Moment nach.
    »Das vielleicht schon, aber vielleicht hat die Frau die gleichen Lügen erzählt wie Topuz . Vielleicht hat sie auch einen Mann und ein oder mehrere Kinder, unsere Amygdala .«
    Wieder machte er eine kurze Pause.
    »Was ist das überhaupt für ein komischer Name?«
    » Amygdala ?«
    » Hmm .«
    »Die Amygdala ist ein Teil unseres Gehirns«, erklärte Hain seinem Chef. »In ihr, oder besser in ihnen, weil wir Menschen normalerweise zwei davon haben, werden, wenn ich mich richtig erinnere, alle Prozesse gesteuert, die mit Angst und Angsterinnerung zu tun haben.«
    »Und warum nimmt man so einen Namen, um sich im Internet herumzutreiben?«
    »Vielleicht hat ihr einfach der Klang gefallen. Meine Tochter würde ich zwar nicht so nennen, aber irgendwie hat Amygdala was.«
    Die Bürotür wurde aufgestoßen, und Rolf-Werner Gecks grinste die beiden an.
    »Es lebe der Fußball«, philosophierte er. Und weil keiner seiner Kollegen etwas dazu sagte, fuhr er einfach fort.
    »Die Jungs von der Bundespolizei in Hannover, die auch den Bahnhof überwachen, haben für die WM 2006 die geilsten und neuesten Sachen gekriegt, die man für Geld kaufen kann. Sie nehmen den kompletten Bahnhof auf und speichern das Material mindestens sieben Tage. Ich hatte eine superfreundliche Dame am Apparat, die mir zugesagt hat, dass ich die für uns relevanten Sequenzen in spätestens einer Stunde hier habe. Und ob ihr es glaubt oder nicht, der Download läuft schon.«
    Hain sah ihn kopfschüttelnd an.
    »Na, da werden wohl bei unserem Server mal wieder die Lichter ausgehen«, orakelte der Oberkommissar.
    »Nein, nein. Ich hab sie gefragt, und scheinbar kennt sie sich mit diesen Sachen ganz gut aus. Alles kein Problem, meinte sie.«
    »Lassen wir uns überraschen«, beendete Lenz die Spekulationen, »und gehen rüber, um uns das Material anzusehen.«

     
    Zehn Minuten später saßen die drei vor dem Computermonitor in Gecks ’ Büro. Hain übernahm die Aufgabe, die gesendeten Daten sichtbar zu machen. Dann tauchte ein vierfach geteiltes Bild auf. Es dauerte einen Moment, bis den Beamten klar wurde, dass sie den gleichen Bahnsteig

Weitere Kostenlose Bücher