Zirkusluft
du meinst.«
Er stellte die Tasse auf den Tisch, erzählte seinem Freund die Ergebnisse der gestrigen Ermittlungen und stand auf.
»Danke für den Kaffee. Ich muss los, die SOKO trifft sich gleich.«
»Danke für deinen Besuch. Und viel Erfolg beim Mörderfangen.«
Lenz verließ das Büro, betrat das Treppenhaus und blieb plötzlich wie angewachsen stehen. Ein uniformierter Kollege, der hinter ihm ging, lief ungebremst in ihn hinein.
»Entschuldigung!«, rief er abwesend, griff nach seinem Telefon und wählte die Nummer der Rechtsmedizin in Göttingen. Als er schon aufgeben wollte, meldete sich Dr. Franz doch noch.
»Lenz, guten Morgen.«
»Sie schon wieder«, begrüßte ihn der Mediziner. »Ich bin gerade mit einer sehr interessanten Frauenleiche beschäftigt. Ihre Störung kommt überaus ungelegen .«
»Dann machen wir es möglichst kurz. Wie lange, Herr Dr. Franz, können Sie nachweisen, dass jemand mit derselben Mischung wie die beiden Ermordeten betäubt wurde?«
»Na ja«, meinte der Rechtsmediziner. »Wenn die Leiche schon richtig verwest ist, wird’s schwer. Je weiter die Verwesung fortgeschritten ist, desto…«
»Nein, nein«, wurde er von Lenz unterbrochen. »Es geht um jemanden, der lebt und sich vielleicht schon ein paar Mal gewaschen hat.«
»Das mit der Wäsche ist nicht schlimm. Wie lange könnte denn die Applizierung zurückliegen?«
»Gestern Morgen. Also besser gesagt, vorgestern Nacht um zwei.«
Dr. Franz schaltete sofort.
»Ihre Kollegin soll sich so schnell wie möglich bei mir melden. Entweder ich komme nach Kassel, oder sie kommt hierher.«
»Danke, Herr Doktor.«
Die Sitzung der SOKO war schnell zu Ende. Heller und Rauball hatten mit den Bewohnern der anderen drei Wohnungen des Hauses in der Langen Straße gesprochen. Es waren alles ältere Leute, die schon seit mindestens 15 Jahren in dem Haus lebten. Einen weiteren Internetzugang außer dem der Söntgeraths gab es nicht, und keiner hatte eine Beobachtung bezüglich eines Mannes gemacht, der mit einem Laptop auf dem Schoß in einem Auto gesessen hätte.
Christian Söntgerath hatte die Aussage seiner Frau bestätigt, dass er seit mehr als zwei Monaten die Wohnung nicht mehr betreten und den Internetzugang nicht benutzt hatte.
Lenz berichtete von den Besuchen bei der Kabelgesellschaft und Evelyn Brede , was für den Moment allerdings nicht weitergebracht hatte. Weil auch die anderen Kollegen mit ihren Recherchen keine neuen Erkenntnisse erzielt hatten, vertagte man die Sitzung auf den nächsten Tag. Dann hatten bis auf Lenz, Hain und Ludger Brandt alle das Büro verlassen.
»Der Innenminister hat heute Morgen in aller Herrgottsfrühe unseren allseits beliebten Polizeipräsidenten Bartholdy angerufen und Erfolge angemahnt. Sollte bis übermorgen nichts passiert sein, überträgt er die Ermittlungen dem LKA«, erklärte der Kriminalrat den beiden und erhob sich schwerfällig. »Also, lasst euch was einfallen, wir brauchen Resultate.« Ohne eine Antwort abzuwarten und ohne einen Gruß verließ er das Zimmer.
»Der ist aber mies drauf.«
»Lass mal, Thilo, der kriegt von oben den gleichen Druck, den er uns hier unten machen muss. Außerdem ist Ludger nicht mehr der Jüngste. Und irgendwie hat er ja recht, wir sind bis jetzt keinen Deut weitergekommen.«
»Stimmt, aber…«
Das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte.
»Lenz.«
»Dr. Franz aus Göttingen. Haben Sie Zeit, zu mir ins Institut zu kommen?«
»Nicht direkt. Was gibt es denn?«
»Kommen Sie einfach her. Ich will am Telefon nichts dazu sagen.«
Damit war das Gespräch beendet. Lenz behielt den Hörer noch für ein paar Sekunden am Ohr, weil er nicht glauben wollte, dass der Rechtsmediziner tatsächlich aufgelegt hatte.
»Was war das denn?«, fragte Hain. »Du siehst ja aus, als hättest du gerade erfahren, dass du noch genau eine Stunde zu leben hast.«
»Nein, ein bisschen länger ist es, glaube ich, noch. Zieh dir was an, wir müssen nach Göttingen.«
Eine halbe Stunde später fuhr Hain auf den Hof vor dem Rechtsmedizinischen Institut, parkte den Opel und drehte den Zündschlüssel um.
»Muss ich wirklich?«
»Mensch, Thilo, ich hab auch keine Lust drauf, und der Gestank da drin geht mir genauso auf die Nüsse wie dir, aber es hilft nichts. Wir gehen zusammen da rein.«
»Scheiße!«
»Hallo!«, wurden sie von Dr. Franz empfangen, der in seinem Büro vor einer aufgeschlagenen Zeitung saß und auf einem Stück Brot kaute.
»Dass
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