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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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sagen.“
     
    Als erfahrener Reisender, der er war, schätzte der alte Stoor ziemlich präzise den Zeitpunkt ein, da die Eisenfelder vor ihren Augen lagen. Raim saß in jenem Moment gerade am Steuer und Tessa auf dem Beifahrersitz.
    Sie riefen die anderen, die dann auch in die Kabine kamen. Am Horizont ließen sich die ersten dunklen, verhutzelten Silhouetten erkennen.
    Der MTW rollte näher heran, und eine leichte Brise trug warme Luft in die Fahrerkabine. Sand stieg wie Meeresschaum zwischen den verwinkelten Brocken auf, die sich wie Grabsteine aus dem Boden erhoben, und fiel wieder zu Boden. Die Sonne ging unter, und die Temperatur fiel rapide – so als sollte damit ihr Eindringen in einen Ort verkündet werden, der jenseits der Grenzen von Raum und Zeit lag.
    Bilder und Eindrücke drängten sich in Varians Bewußtsein. Er beobachtete, wie die undeutlichen Schatten größer wurden, während das Fahrzeug sich ihnen näherte. Worte und Gefühle suchten nach zeitlichem und logischem Zusammenhang, aber Varian mußte sich endlich eingestehen, daß er von dem Ausblick überwältigt wurde. Sie betraten einen Ort des Mysteriums und des Märchens … einen Platz des Todes.
    Nichts rührte sich, nichts lebte auf den Eisenfeldern. Als der MTW tiefer in das unermeßliche Klumpenland eindrang, senkte sich Stille auf die Insassen herab. Selbst Stoor schwieg, als jeder einzelne aus der Gruppe den gräßlichen Ausblick auf sich einwirken ließ. Eine unendliche Galerie, angefüllt mit den schattengleichen Korridoren des Grotesken, des Unaussprechlichen. Eine Stilleben-Montage aus den Apokalypsen der Menschen und ihrer Maschinen.
    Ein ausgebrannter Panzer mit einem verkohlten Skelett, das immer noch in jenem Zeitabschnitt eingefroren war, als es noch ein Mensch gewesen war, der sich aus dem brennenden Fahrzeug retten wollte.
    Die verdrehten, verrosteten Überbleibsel eines vielmotorigen Flugzeugs lagen dort, die Spitze hatte wie ein V den Boden umgepflügt und zeigte damit an, wo die Maschine aufgekommen war.
    Ein kreisförmiges Becken aus ultraerhitztem Sand, jetzt glasiert, hatte einen diamantharten Boden geschaffen. Seine Glattheit wurde nur durch ein herausragendes, großes und verdrehtes Stück Stahl unterbrochen. Der Eindruck von einer namenlosen, sehr avantgardistischen Skulptur.
    Maschinen und Teile lagen wie tote Blätter auf dem Sand verstreut. Der Wind schlüpfte mühelos durch die zahllosen Ecken und Winkel. Gelegentlich schwoll er an und produzierte eine nervtötende, schreckliche Musik, eine Kombination aus Wehklagen und Sätzen aus einer atonalen Sonate.
    Falls man daran glaubte, konnte man sich den Ort leicht als von Geistern bewohnt vorstellen. Die Trugbilder von Millionen Soldaten drängten sich auf den freien Flächen. Alle schwebten dahin, Gewehr über, das Bein halb angehoben im erstarrten Marschtritt, als seien sie dazu verdammt, auf ewig ziellos in den Ruinen herumzustolpern.
    Varian war es schließlich, der die kalte Stille brach.
    „Sieht das hier überall so aus? Ich kann es einfach nicht glauben …“
    „Oh ja, besser du glaubst dran“, sagte Stoor. „So zieht sich das endlos hin. Immer weiter und weiter und weiter … Tausende, möglicherweise Hunderttausende von Quadratkas.“
    „Wie in einem Museum“, sagte Tessa, „so kalt und so steril. Irgendwie scheinen wir nicht hierher zu gehören. Spürt ihr das nicht auch?“
    „Ich hatte dieses Gefühl auch“, sagte Varian, während er den Blick über dieses unglaubliche Panorama der Zerstörung wandern ließ. Als geübter Kämpfer konnte er die Notwendigkeit von Waffen einsehen, er konnte auch die Macht der Maschinen und Armeen respektieren, die sich hier versammelt hatten, und er konnte sogar die aufreizende Aufregung verspüren, den Ruhm, der wie ein brennender Nebel in der Luft gehangen haben mußte. Aber ungeachtet all dessen war selbst ein Varian von dem bleichen Testament der Eisenfelder erschüttert.
    Es war die ultimate Metapher. Das endgültige Bild. Das andauernde Monument für das Bedürfnis des Menschen, sich erneut im Krieg zu erproben.
    „Mensch, sieh doch mal, der Sucher“, sagte Tessa und deutete auf den Bildschirm, auf dem ein ganzes Lichterbündel wie Schneeflocken tanzte. „Er spielt verrückt!“
    Stoor griff nach einem Schaltknopf und drehte ihn herunter. „Wir müssen ihn feinjustieren, ihn so einstellen, daß er nur auf elektromagnetische Impulse anspricht.“
    „Kannst du das denn?“ Varian sah den alten Mann an und

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