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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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würde jede Möglichkeit fehlen, für sich allein zu sein. Jeder würde die anderen bis aufs I-Tüpfelchen kennenlernen, und die üblichen Entdeckungen würden sicher nicht ausbleiben – im Guten wie im Bösen, warum einer dies oder jenes tat und wie er es tat, zum Vergnügen oder zum Nachteil der anderen. Aber Tessa war für Varian etwas ganz Besonderes. Varian ertappte sich dabei, wie er selbst in den unmöglichsten Momenten an das Mädchen dachte – und es war Varian klar, was das zu bedeuten hatte. Sein Leben hatte bisher aus einer Kette von „Hallo“ und „Auf Wiedersehen“ bestanden. Letztendlich hatte er immer gewußt, daß er nur für sich selbst lebte, daß er nur für sein Leben gekämpft, getötet und sich herumgetrieben hatte. Nie hatte er sich Zeit genommen, sich über jemand anderen Gedanken zu machen. Aber jetzt war es soweit gekommen. Warum? Die Frage stellte sich so einfach, aber er konnte keine Antwort darauf finden.
    Er sah zu Stoor hinüber. Der schielte auf den Bildschirm. Seine Arme waren auf die Lenkkontrollen des Fahrzeugs gepreßt, und er selbst hüpfte auf dem Polstersitz auf und nieder. Varian verdrängte seine Gedanken. „Ich geh’ mal nach hinten und sehe, ob ich nicht helfen kann,“ sagte er. Stoor nickte und gab mit dieser Geste sein Einverständnis. Varian verließ seinen Sitz ging in die hintere Abteilung. Dort angekommen, erklärte er Raim, er solle seinen Platz in der Frontkabine einnehmen. Der kleine Mann grinste und verschwand.
    „Was ist los?“ fragte Tessa, als sie von ihrer Arbeit aufsah. „Haben wir schon etwas gefunden?“ Sie lächelte über ihren schwachen Witz.
    Varian setzte sich neben sie hin und legte den Arm um sie. „Nein, noch nichts. Ich wollte nur bei dir sein, das ist alles.“
    Sie legte den Kopf an seine Schulter, und er roch den natürlichen Geruch ihres Haars, spürte, wie sie sich gegen ihren Willen an seiner Seite verkrampfte. Er wußte, was Tessa in ihrem Leben alles widerfahren war, was ihre Seele so tief verwundet hatte, und Varian betete darum, ihr nicht weh tun zu müssen.
    Der MTW hüpfte und rollte von einer Seite auf die andere, während er die rauhen Hügel durchquerte. Varian hielt Tessa fest und sagte nichts, weil er wußte, daß das jetzt nicht nötig war. In diesem Augenblick wußten sie beide, daß nur eine Sache wichtig war – daß sie zusammen waren.

 
Fünf
     
    Die Zitadelle befand sich nicht im Samarkesh Burn.
    Stoor verbrachte drei Wochen damit, methodisch auf der gewaltigen, tödlichen Sandfläche hin und her zu fahren. Tausende von Quadratems lagen hinter ihnen und nichts als mörderische Hitze. Die gemeinsame Zeit hatte sich dennoch nicht als so unerträglich erwiesen, wie man das vielleicht hätte annehmen können. Im Gegenteil, die Gruppe schien fester zusammengewachsen zu sein. Man verstand sich.
    Varian glaubte, daß die blanke Feindseligkeit der Umgebung möglicherweise unmerklich diesen Zustand beeinflußt hatte, der die Mitglieder dazu zwang, einander näherzukommen. Im Angesicht der Grausamkeit des Burns schien jeder zu der Sicherheit zu drängen, die Kameradschaft und geselliges Beisammensein bringen konnten.
    Die Abende waren angefüllt mit ausgedehntem Geschichtenerzählen und einem offenen Lagerfeuer, das die schneidende Kälte der Nacht in der Wüste in Grenzen hielt. Stoor erwies sich als wahrer Born von Abenteuerberichten, pädagogisch wertvollen Geschichten und Märchen. Und auch wenn man ihm nur die Hälfte seiner Geschichten glauben wollte, so sah man sich in eine weitaus interessantere als die real existierende Welt versetzt.
    „Das Abenteuer liegt dort, wo man es sucht“, war einer von Stoors Lieblingssätzen.
    Eine Plattheit, sicher, aber auch eine Wahrheit, wenn man Stoor von Hadaan hieß.
    Als sie nach Osten weiterfuhren und schließlich den Samarkesh Burn verließen, kam das Abenteuer zu ihnen. Ein Trupp Behistar-Banditen auf Pferden rauschte ihnen von nahe gelegenen Dünen entgegen. Ungefähr zwanzig an der Zahl, stürmten sie mit nicht mehr Angst auf den MTW zu, als hätten sie einen Rollstuhl mit einer alten Frau darin vor sich. Wenn man den Banditen eines zugute halten mußte, dann die Tatsache, daß sie wirklich keine Angst kannten.
    Obwohl man sie eigentlich eine dumme Bande von Barbaren nennen muß, sollte man sich in diesem Fall der günstigeren Auslegung bedienen.
    Varian saß zu dieser Zeit am Steuer, hatte muntere achtzig Sachen drauf und ließ so eine angenehme Fahrtwindbrise in der

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