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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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eingeladen hatte und nicht umgekehrt.
    Während sie über Otto nachdachte, hatte der Mann, der sich Nero Battaglia nannte, wieder in sein Skizzenbuch gestarrt. »Hüten Sie sich«, sagte er jetzt düster.
    »Was meinen Sie damit?«, fragte sie erschrocken. Wollte er sie etwa vor Otto warnen? Oder vor Anselm? Er kannte doch weder den einen noch den anderen.
    »Es wird einen neuen Krieg geben«, sagte er.
    »Ach, Unsinn«, meinte sie. »Wie kommen Sie denn auf so etwas?« Sie spürte aber gleichzeitig, wie ihr ein Schauder den Rücken hinunterlief.
    »Die Menschen beginnen die Gräuel zu vergessen. Aber wer vergisst, rennt alsbald wieder in das gleiche Unglück. Es ist nie anders gewesen.«
    »Warum erzählen Sie mir das?« Sie blickte sich nervös um. An zwei Tischen an der Fensterseite saßen neue Gäste, die ungeduldig darauf warteten, ihre Bestellungen aufzugeben. Wenn Herr Kiesemann sah, dass sie hier stand und plauderte, war sie ihre Stellung schneller los, als sie blinzeln konnte. Sie ging aber trotzdem nicht weiter, sondern sah ihm dabei zu, wie er sein Skizzenbuch zuklappte und aufstand und seinen Schal um die Schultern legte. »Ich kann es ja nicht ändern«, sagte er unglücklich. »Aber wenn Sie gewarnt sind, können Sie sich vielleicht rechtzeitig in Sicherheit bringen.«
    Warum ich? wollte sie fragen. Warum warnen Sie mich? Warum sollte ausgerechnet ich mich in Sicherheit bringen? Aber da hatte er sich schon umgedreht und war weggegangen.
     
    Ihre Mutter hatte auf der Lorettostraße eine Wohnung angemietet, in der sie nun mit Hilde Kanzinger Schmuck produzierte. Unser Atelier, nannte sie die Räume hochtrabend, obwohl es nur zwei schäbige feuchte Kellerräume waren, in die durch schmale Oberlichter Tageslicht drang. Es überraschte Mira, dass sie sich damit zufriedengab, dass sie nicht gleich einen eleganten Salon auf der Hohen Straße anmietete wie Gudrun.
    Vielleicht hatte sie es ja versucht, aber keinen Vermieter gefunden, der dumm genug gewesen war, sich auf sie einzulassen.
    Das Geschäft schien jedenfalls nicht übel zu laufen. Immer wenn Mira im Atelier vorbeikam, saßen ihre Mutter und Hilde vor Bergen von glitzernden Broschen, Ketten, Halsbändern, und an der Wand stapelten sich kleine Kartons mit den fertigen Waren. Es konnte natürlich auch sein, dass das Ganze eine einzige große schillernde Seifenblase war, die schneller platzen würde, als sie entstanden war. In jedem Fall hatte ihre Mutter Mira bereits seit mehreren Wochen nicht mehr nach Geld gefragt.
    »Mirabella, da bist du ja endlich«, rief sie aus, als Mira die Tür zum Atelier aufschob. Als ob sie verabredet gewesen wären, dabei kam Mira ganz spontan vorbei. Sie brachte eine fast volle Flasche Silvaner, die im Restaurant bestellt und dann doch nicht mehr getrunken worden war. Herr Kiesemann bestand darauf, dass der Wein weggeschüttet wurde, wenn er zurückging, aber die Mädchen hielten sich nicht daran.
    »Da wollen wir uns doch gleich ein Gläschen genehmigen«, sagte ihre Mutter, nachdem sie den Wein entdeckt hatte. »Morgen schmeckt er nur noch halb so gut.«
    Sie nahm Mira die Flasche aus der Hand und verschwand in der kleinen Küche, die sich an den Arbeitsraum anschloss. Mira blieb mitten im Raum stehen und sah, dass neben Hilde noch ein anderes Mädchen am Tisch saß, ein mageres Ding mit einer großen Nase und schweren dunklen Haaren, die sie wie einen Helm um den Kopf geschlungen hatte. Sie lächelte Mira unsicher an und richtete ihren Blick dann rasch wieder auf eine schmetterlingsförmige Brosche, die sie mit Glasperlen beklebte. »Das ist Elfie«, sagte Hilde.
    »Mira«, stellte Mira sich selber vor. »Wie läuft das Geschäft denn so?«
    »So gut, dass wir es zu zweit gar nicht mehr bewältigen können«, antwortete ihre Mutter, die mit vier Weingläsern aus der Küche zurückkam. »Auf unseren Erfolg, Prost, die Damen!« Sie nahm einen kräftigen Zug aus ihrem Glas, während die dreianderen nur an ihrem Wein nippten und die Gläser dann auf den Tisch stellten.
    »Gut, dass du endlich da bist«, wandte sich ihre Mutter an Mira. »Komm einmal mit nach nebenan, ich habe mit dir zu reden.«
    »Machen wir es kurz«, begann sie, als sie sich in der winzigen Küche zwischen Herd und Spülstein drängten. Über ihnen baumelte eine schwache Glühbirne und tauchte die Mitte des Raums in ein helles Licht, das an den Rändern ins Dunkle ausfranste. Auf der Spüle stapelten sich Kaffeetassen, ein paar Teller mit Kuchenkrümeln.

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