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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Mirko niemals nachfragte, was sie vorhatte und mit wem sie sich traf. Marthe dagegen wollte immer alles ganz genau wissen.
    Quirin führte sie in Richtung Stadt, aber vor der Stadtmauer bogen sie in eine andere Straße ein, und dann betraten sie einen Park. »Es ist ein so schöner Abend«, sagte er. »Wenn es Ihnen recht ist, gehen wir ein bisschen spazieren.«
    »Sicher.« Wenn sie das vorher gewusst hätte, hätte sie nicht die Sandalen mit den Absätzen angezogen.
    Es war kein gewöhnlicher Park, sondern ein Botanischer Garten. Links und rechts des verschlungenen Weges erschien nach jeder Biegung eine völlig neue Landschaft. In dem seltsam präzisen Licht der Juninacht gingen sie durch Moorwiesen, auf denen riesige Blattpflanzen wucherten. Durch die glänzenden Blätter schimmerten weiße Blüten. Auf einem Teich schwammen Seerosen. Ein modriger Geruch, feucht und fett. Sie hörten die Frösche noch quaken, als sie schon im Gebirge waren. An schroffen Felsblöcken klammerten sich Moose und Pilze fest, hellgrün, gelb und orange, dazwischen stachen Ginsterzweige wie lange Nadeln in den blaugrauen Himmel. Alle Bäume, Büsche und Pflanzen waren mit kleinen Holztäfelchen versehen, auf denen ihre Namen standen.
Bitterwurz . Steinbrech. Felberich .
    Der Weg schlängelte sich um einen Findling. Dahinter ein Baum,
Blutbuche
las sie auf dem Schild am Stamm.
Fagus sylvatica purpurea.
Dieses fahle Licht. Maria schauderte. Sie hätte gerne Quirins Arm genommen, aber so vertraut waren sie nicht. Dort hinten, war das der Eingang zu einem Friedhof? Sie sah ein schmiedeeisernes Tor, Kreuze, Gräber. Du liebe Güte, dachte sie, was hat er bloß vor?
    »Kommen Sie«, sagte Quirin, der die ganze Zeit geschwiegen hatte. »Ich will Ihnen etwas zeigen.«
    Zielstrebig bog er von einem Pfad in den anderen, linksherum, rechtsherum, sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, so schnell lief er. Der Park wuchs in ihrer Vorstellung ins Unermessliche, sie waren irgendwo in seiner Mitte, zwei Punkte in einer Landschaft. Sie hatte längst die Orientierung verloren.
Sumpfeiche. Fieberklee . Blutauge .
Namen wie aus einem bösen Traum.
    Über einen Trampelpfad gelangten sie auf einen Kiesweg. Ein Platz, von Kastanien umstellt. Langsam wurde es dunkel, so dass die Baumkronen zu einer großen schwarzen Einheit zusammenwuchsen. Auf der anderen Seite des Platzes stand ein Glashaus.
    »Wohnen Sie hier?«, fragte sie. Es sollte ein Scherz sein, aber es klang nicht wie ein Scherz. Es passte viel zu gut zu ihm, das kalte glänzende Glashaus in diesem gespenstischen Park.
    Quirin hatte einen Schlüssel für die Glastür. Als er sie öffnete, quoll ihnen feuchte, warme Luft entgegen wie der Atem eines großen Wesens. Über ihnen und um sie herum ein Urwald aus grünen Blättern. »Das Palmenhaus«, sagte er leise.
    »Woher haben Sie den Schlüssel?« Maria sprach ebenfalls mit gedämpfter Stimme, als schliefe da jemand, den sie nicht wecken durften.
    »Ein Bekannter hat ihn mir geliehen. Ich komme manchmal hierher.«
    Ein Weg aus Holzplanken führte zwischen den Bäumen, unter den Blättern durch. Je weiter sie ins Innere des Gewächshauses kamen, desto dunkler wurde es. Bald konnte sie nurnoch die Stämme in ihrer unmittelbaren Nähe erkennen. Die Rinde war haarig, wie vernarbt, als habe sie jemand mit einem großen Messer bearbeitet.
    Dann wurde es wieder heller. Sie waren in der Mitte des Glashauses, über ihnen spannte sich eine hohe runde Kuppel, hinter der sich der Himmel ausbreitete. Ganz oben lag immer noch ein Rest von Tageslicht in der Luft, aber an den Rändern war es bereits Nacht. Der Mond hing schräg über ihren Köpfen, wie eine hellgelbe Pappscheibe, die jemand an den Himmel gesteckt hatte.
    Sie setzten sich auf eine Bank. Quirin holte einen Kerzenleuchter aus seiner Tasche, eine Weinflasche, Gläser, seine Pfeife. Irgendwo tropfte Wasser, danach erschien die Stille noch größer.
    Es war so warm, dass sie ihren Mantel auszog. Er reichte ihr ein Glas Wein.
    »Wie finden Sie es?«, fragte er, als wäre es ein Bild, das er für sie gemalt hätte.
    »Es ist so eigenartig hier. Warum haben Sie mich hergebracht?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich dachte, es gefällt Ihnen.«
    »Sicher«, sagte sie und nahm einen kleinen Schluck Wein.
    »In einer halben Stunde ist es vollends dunkel, mit etwas Glück können wir die Sterne sehen.«
    Maria starrte in das Blättergewirr auf der anderen Seite des Raumes. Hatte sich in den Zweigen nicht soeben

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