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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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es aber nicht den Anschein.«
    »Ich hatte es nur für einen Moment lang vergessen.«
    Er lachte und strich ihr über den Kopf. Es war ein perfekter Ausflug. Vater, Mutter, Kind, dachten die Leute, die sie zusammen sahen. Und dennoch.
    »Es tut mir leid«, sagte Maria, nachdem sie Mirabella zurück in den Zirkus gebracht hatte. Im Zelt von Marthe war sie satt und zufrieden eingeschlafen, kaum dass ihr Maria die schmutzigen Füße gewaschen hatte. »Ich hätte sie nicht mitnehmen sollen.«
    Sie saßen in einer Weinschänke hinter der Jakobuskirche. Quirin hob sein Glas und starrte auf die opake rote Flüssigkeit, dann stellte er es wieder zurück auf den Tisch, ohne einen Schluck zu trinken. Seit sie hier saßen, hatte er kaum ein Wort mit ihr gewechselt.
    »Sieh mich an«, sagte sie. »Sprich mit mir.«
    Er schob das Glas zur Mitte des Tisches. Der Rotwein schwappte über den Rand und sammelte sich in einem perfekten Ring am Fuß des Glases. »Sie ist ganz bezaubernd, deine Tochter.«
    Sie nickte und wartete darauf, dass er weitersprach, aber er sagte nichts mehr.
    »Wie geht es denn nun weiter mit uns, Quirin?«, fragte sie ihn schließlich.
    »Es hat keine Zukunft, Maria«, sagte er sanft.
    »Warum schickst du mich weg? Weil ich nicht in dein Leben passe?«, fragte sie. »Du bist ein erbärmlicher Heuchler, wenn du meinst, dass du einfach ungeschehen machen kannst, was gewesen ist.«
    Er sah sie an. Unter seinen Augen lag ein rötlicher Schimmer, als habe er geweint, aber vermutlich war es nur der Widerschein der Sonne, die hinter den Dächern unterging. »Ich werde nicht weitermachen«, sagte er. »Ich verlasse das Seminar. Ich habe meinen Glauben verloren.«
    Sie schnappte nach Luft. »Weil du mit mir …? Ich meine, ist es wegen mir?«
    Er lachte traurig. »Nein, Unsinn, es hat schon viel früher begonnen.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte sie langsam. »Du willst das Seminar verlassen und mich auch? Was hast du vor?«
    »Ich weiß es nicht. Ich muss … nachdenken. Ich muss mir darüber klar werden, was zählt.«
    »Was zählt?«, fragte sie verständnislos. »Aber es war doch gut zwischen uns.«
    »Maria«, sagte er. »Ich kann das nicht. Ich kann keine Familie gründen, ich kann deiner Tochter kein Vater sein. Ich kann diese Verantwortung nicht tragen. Ich will sie nicht.«
    »Wie kommst du nur auf einen solchen Gedanken?«, fragte sie, obwohl das genau der Grund gewesen war, warum sie Mirabella mitgenommen hatte. Damit er sie kennenlernte, damit er sie lieb gewann und ihr Vater wurde.
    Quirin lächelte traurig und schwieg. Sie trank einen Schluck Wein, der sauer schmeckte, und schwieg ebenfalls.
    »Warum hast du deinen Glauben verloren?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Es ist einfach so passiert. Von einem Tag auf den anderen glaubte ich nicht mehr an Gott. Ich fühlte nichts. Da ist nichts.«
    »Es gibt ihn aber. Ich weiß es ganz bestimmt«, sagte sie.
    Er trank einen Schluck Wein und behielt ihn lange im Mund, bevor er ihn hinunterschluckte. »Du glaubst es. Wissen kann es keiner.«
    »Ich aber schon.« Sie zögerte einen Moment lang. Sollte sie es ihm sagen? Wie würde er reagieren? »Die Jungfrau Maria ist mir erschienen«, sagte sie atemlos. »Nicht nur einmal, mehrmals schon.« Sie sah an seinem Gesicht, an den Augen, die plötzlich ganz schmal wurden, dass es falsch gewesen war. Ihr Herz schlug plötzlich laut und aufgeregt. Sie wollte die Worte zurückholen, sie wollte aufstehen und weglaufen, sie hätte sich ohrfeigen können.
    Er schüttelte Kopf. »Was redest du denn da, Maria?«
    »Niemand weiß davon. Außer dem Zwerg. Und nun du.«
    »Und was erzählt sie dir, die Muttergottes?«
    »Dass es Krieg geben wird. Ein langer furchtbarer Krieg – er wird schon im nächsten Monat beginnen …«
    »Dazu braucht es aber keine Erscheinung, um das zu erfahren«, sagte er spöttisch. »Jeder redet vom Krieg. Nach dem Attentat auf den österreichischen Kronprinzen ist es doch ausgemachte Sache, dass kein Weg darum herumführt.«
    »Ich weiß es aber schon seit Januar«, beharrte sie.
    Er runzelte die Stirn. Er glaubte ihr nicht. Sie fühlte sich auf einmal vollkommen leer, als hätte jemand ihren Kopf ausgehöhlt und ohne Empfindungen und Gefühle zurückgelassen, nur mit einem einzigen Gedanken, der in ihrem Gehirn um- und umflog.
    Es ist aus.
     
    Zum zweiten Mal war ihr die Muttergottes im Jahr nach Mirabellas Geburt erschienen. Maria erinnerte sich nicht mehr an den Namen der Stadt, in der es

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