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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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etwas bewegt? Ein großer Vogel, eine Schlange? Eine Raubkatze? »Gibt es hier Tiere?«, fragte sie atemlos. Sie ärgerte sich über sich selbst, kaum dass sie die Frage ausgesprochen hatte.
    »Das ist ein Botanischer Garten. Kein Zoo.« Er lachte leise. Wie über ein dummes kleines Kind.
    Sie beschloss, das Thema zu wechseln. »Dürfen Sie das überhaupt? Dass sie mit mir hierher kommen?«
    »Sicher, ich kann kommen, wann ich will. Sonst hätte ich ja keinen Schlüssel.«
    »Das meine ich nicht. Sie wollen doch Priester werden.«
    »Und?« Sein Blick war nach oben gerichtet, in die Glaskuppel, hinter der inzwischen alles dunkel war. Der Mond schien noch schiefer zu hängen. Kein Stern war zu sehen.
    »Sie wissen doch ganz genau, was ich meine«, sagte sie ungeduldig.
    »Nein«, sagte er, und jetzt sah er sie an. »Warum sollte ich nicht mit Ihnen zusammen sein?«
    »Weil so etwas immer auf das Gleiche hinausläuft«, sagte sie verächtlich. »Man trinkt Wein, und man küsst sich und so weiter. Das wissen Sie doch so gut wie ich und jeder andere.«
    Warum sprach sie so mit ihm, so scharf und ungeduldig und zornig? Vielleicht war es seine arrogante Art. Vielleicht war es ihre eigene Angst vor dem dunklen Palmenhaus und dem unheimlichen Garten darum herum – und die peinliche Erinnerung an den Abend zuvor.
    Er schwieg und trank und schluckte und schwieg. Jetzt habe ich dich doch aus der Fassung gebracht, dachte sie und wartete auf ein Gefühl des Triumphes, das sich nicht einstellte.
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er schließlich. »Vielleicht läuft es wirklich immer auf das Gleiche hinaus.«
    Sie blinzelte in den sternenlosen Himmel und wusste plötzlich, dass es dieses Mal nicht darauf hinauslaufen würde, dass sie sich küssten. Schade, dachte sie, zu schade. Sie war überrascht, wie leid es ihr tat.
    »Erzählen Sie mir, warum Sie zum Zirkus gegangen sind«, forderte er sie später auf, als der Mond direkt über der Mitte der Glaskuppel stand.
    Sie erzählte ihm von Vellberg und dem Bauernhof, ihren Geschwistern, den Leuten im Städtle, der Neugierde, mit der einer den anderen beobachtete. Ihren Vater erwähnte sie nicht.
    »Und warum wollten Sie Pfarrer werden?«
    Auch seine Geschichte fing in einem kleinen Dorf an, mit einem Pfarrer, für den er ministriert hatte und der ihn für die Kirche begeistert hatte. Und wie bei ihrer eigenen Geschichte fehlte das Wesentliche – der wahre Grund, warum er ins Priesterseminar gegangen war.
    Ich werde es nie erfahren, dachte sie. Noch drei Tage.
    Wieder stellte sie mit Überraschung fest, wie sehr ihr das leid tat.
     
    Bis der Zirkus weiterfuhr, trafen sie sich jeden Tag.
    Der Zirkus zog aber nicht wie geplant drei Tage nach jenem Abend im Palmenhaus weiter. Am Abend vorher hatte sich Direktor Lombardi ohne einen ersichtlichen Grund, nur weil er der Direktor war, auf den neuen Lippizaner gesetzt, den Silvan für seine Pferdenummer erworben hatte. Er wurde abgeworfen und brach sich ein Bein. Noch am selben Abend brachte man ihn ins Hospital, wo man ihn bis zum Oberschenkel eingipste. Danach verordneten ihm die Ärzte drei Wochen strenge Bettruhe im Krankenhaus, und in dieser Zeit hing der Zirkus in Tübingen fest. »Denn was wäre ein Zirkus ohne seinen Direktor?«, sagte die alte Esmeralda.
    Viele im Zirkus waren anderer Meinung, sie wären lieber weitergereist. Sollte Lombardi doch nachkommen, wenn er wiederhergestellt wäre. Aber Maria war es recht. Sie hatte jede Woche weniger Kundschaft, weil der ganze Zirkus jeden Tag weniger Besucher hatte. Dadurch hatte sie mehr Zeit für Quirin.
    Meist trafen sie sich schon am Nachmittag. Sie gingen in den Weinbergen spazieren oder fuhren mit einem Stocherkahn über den Neckar, er zeigte ihr den Hölderlin-Turm, in dem der kranke Dichter lange Jahre gelebt hatte, die Krumme Brücke an der Wette, das Kornhaus, die Platanenallee. Sie tranken Wein und redeten und redeten. Tief in der Nacht brachte er sie zurück zum Zirkus.
    Natürlich lief es schon sehr bald auf das hinaus, was sie hatte kommen sehen und er auch.
    »Sie haben also doch recht behalten«, sagte er, nachdem sie sich zum ersten Mal geküsst hatten. Es war wieder im Botanischen Garten, aber nicht im Palmenhaus, sondern draußen unter einem knorrigen Gingkobaum.
    »Du«, sagte Maria. »Wenn man sich einmal geküsst hat, muss man sich auch duzen.«
    »Ja«, sagte er und lachte leise. »In diesen Dingen weiß ich nicht so gut Bescheid.«
    Er wusste aber doch

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