Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
Vom Netzwerk:
dass sie ungerecht war, aber das machte sie nur noch wütender.
    »Maria«, sagte Mirko leise. »Beruhige dich! Wir finden einen Weg.«
    »Wir?«, schrie sie zurück. »Was heißt denn hier
wir
? Es gibt kein
wir
, das dich mit einschließt, Mirko. Mirabella ist meine Tochter, einzig und allein meine Tochter, und niemand hat auch nur die Spur eines Anrechts auf sie, dieses verdammte Kloster nicht und du auch nicht!«
    »Was redest du denn da, Maria?«, flüsterte Mirko. »Du bist ja von Sinnen.«
    »Ja, du hast recht, ich muss wirklich von Sinnen sein. Dass ich dich mit hierher gebracht habe, dass ich überhaupt jemals auf dich gehört habe. Meinst du, ich weiß nicht ganz genau, was du dir erhoffst? Dass wir in die Schweiz auswandern, ich und du und Mirabella, und dass wir zusammenbleiben, einekleine Familie,
deine
Familie. Mutter, Tochter, Zwerg! Schau mich an, meinst du wirklich, ich habe das nötig? Dass ich ausgerechnet auf dich angewiesen bin?«
    Mirko sah sie an und schüttelte den Kopf, das war seine Antwort auf ihre Frage.
    Maria drehte sich um und lief weg, mit gesenktem Kopf. Die Sonnenstrahlen waren genauso hart wie das Straßenpflaster, auf das sie prallten. An der Wegbiegung schaute sie noch einmal zurück und sah, dass Mirko immer noch vor der Pforte stand. Er sah sehr klein und zerbrechlich aus vor dem riesigen Kloster.
    Sie rannte den ganzen Weg nach Schramberg, und am nächsten Morgen fuhr sie in einem Güterzug nach Karlsruhe, versteckt zwischen Kisten voller Steckrüben.
    Seitdem hatte sie Mirko niemals wieder gesehen.

II.
    Sonntagnachmittags ging Maria immer mit Rufus spazieren, dem Scotch Terrier ihrer Hauswirtin. Früher hatte sie es getan, weil sie das Geld brauchte, heute tat sie es, weil sie und das Tier so aneinander gewöhnt waren. Sie spazierten durch den Hofgarten, immer dieselbe Runde. Am Napoleonsberg verrichtete der Hund sein Geschäft, auch das war wie immer, und während Maria wartete, sah sie Mirabella, aber Mirabella bemerkte sie nicht. Sie war viel zu sehr auf ihren Begleiter fixiert.
    Es war ihr Liebhaber, es musste ihr Liebhaber sein. Mirabella hatte ihren Arm in seinen gelegt. Das war außerordentlich, denn nach Möglichkeit vermied sie jede Berührung mit anderen.
    »Wusstest du nicht, dass sie einen Liebhaber hat? Das geht doch nun schon weit über ein Jahr«, meinte Gudrun, als Maria ihr davon erzählte.
    »Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?«, wollte Maria wissen.
    Gudrun hatte Maria ins Apollo-Theater auf der Graf-Adolf-Straße eingeladen. Sie saßen im großen Saal, in dem alles rund war, die Decke, die Ränge und die kleinen Tische, an denen die Gäste saßen, und sogar die Bühne. Die Kronleuchter an der Decke warfen funkelnde Reflektionen in ihre Champagnergläser. Maria und Gudrun aßen Erdbeeren, obwohl es erst März war. Zumindest sahen die Früchte aus wie Erdbeeren, auch wenn sie nicht so schmeckten. Maria streute löffelweise Zucker darüber. Auf diese Weise waren sie wenigstens süß.
    »Es erschien mir nicht so wichtig«, erwiderte Gudrun. »Um ehrlich zu sein, ich habe die ganze Angelegenheit nicht ernst genommen. Ich bin überrascht, wie lange sie es mit ihm aushält.«
    Maria wollte noch etwas sagen, aber im selben Moment spielte die Kapelle einen Tusch. Der Direktor betrat die Varietébühne, und alle Gesichter, auch das von Gudrun, richteten sichnach vorn zu ihm. »Begrüßen Sie mit mir«, rief er und hob dabei seine Arme wie früher Direktor Lombardi in der Manege, »die weltberühmten, sensationellen Tiller-Girls!« Man applaudierte und trampelte mit den Füßen, und einige pfiffen sogar auf den Fingern.
    Die Kapelle spielte einen Cancan, auf der Bühne reihten sich jetzt fünfundzwanzig junge Damen auf, alle gleich groß, gleich schlank, mit exakt der gleichen Beinlänge. Sie trugen Federbüsche auf dem Kopf, auch das war wie im Zirkus Lombardi, nur dass da die Lipizzaner die Federbüsche getragen hatten. Die Mädchen hakten sich beieinander unter und warfen die Füße in die Luft, erst den rechten, dann den linken und dann wieder den rechten, danach begann sich die ganze Reihe zu drehen wie der lange Schwenkarm einer Maschine. Klack, klack, klack machten die hochhackigen Tanzschuhe auf der Bühne. Die geschminkten Gesichter lächelten. An wen erinnerten sie Maria bloß?
    »Sie sehen aus wie die Schaufensterpuppen bei Tietz«, sagte Gudrun. »Noch ein Champagner? Heute geht alles auf mich.«
    Maria bestellte lieber Rheinwein. »Nicht zu

Weitere Kostenlose Bücher