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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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wie in Berlin. Wollheim besorgte ihm die Stelle als Nachtportier. Mit seinen letzten paar Groschen kaufte sich Ludwig eine Fahrkarte.
    Jetzt wohnte er in der Siedlung Freie Erde. Der Anarchistensiedlung. Nicht zu verwechseln mit der Arbeitersiedlung Freiheit, die ein paar Meter weiter im Eller Forst lag und von den Sozialisten gegründet worden war. »Die armen Teufel haben für ihren Grund und Boden bezahlt«, erklärte Walter mitleidig und verächtlich zugleich, als Ludwig ihn einmal fragte, warum es keinerlei Austausch zwischen den beiden Siedlungen gab.
    Helmas Bauch wurde mit jedem Tag dicker. Immer wenn Ludwig sie ansah, musste er an Maria denken. Hatte sie gewusst, dass sie sein Kind erwartete, als sie ihn damals fortgeschickt hatte? Warum? dachte er.
    Er war nach Düsseldorf gezogen, um Mirabella zu finden, und gleich in der ersten Woche machte er sich auf die Suche. Er fand heraus, dass es in Düsseldorf vier Lokale gab, die
Zum Goldenen Ochsen
hießen. Eines befand sich in Eller, eines in Bilk, eines in der Altstadt und eines am anderen Ende der Stadt, in Rath. Er fing in Eller an, weil es ganz in der Nähe war, aber dort hatte man noch nie etwas von einer Mirabella gehört. Der Goldene Ochse in Bilk war eine abscheuliche Kaschemme, in der die Gäste schon nachmittags um vier sturzbetrunken waren. Ludwig war erleichtert, dass auch hier keiner etwas mit dem Namen anzufangen wusste. Das Gleiche in der Altstadt. »Mirabella, Mirabella«, murmelte die dicke Kellnerin, die ihm sein Bier und ein Paar Bratwürste brachte. »Nie gehört, aber vielleicht war das vor meiner Zeit. Ich frage mal die Zita.« Die Zita war groß und hager und kam sogar persönlich an Ludwigs Tisch, um sich den Namen wiederholen zu lassen und dann bedauernd den Kopf zu schütteln. »Mirabella, nee, dat hätt man sisch doch behalten.«
    Als er gerade gehen wollte, kam sie noch einmal auf ihn zu. »Meinen Se etwa dat Mira?«
    Er zuckte mit den Schultern. Alles war möglich, er tappte ja völlig im Dunkeln.
    »N Mira joawet nämlich hee bis för a halv Joahr, äwer dann hät et sich woangers förjestelt.«
    »Wie bitte?«
    »Die Mira hätt woangers angefangen«, sagte Zita, wobei sie jedes einzeln Wort betonte, als wäre er schwachsinnig.
    »Was macht sie denn jetzt?«
    »Dat arbidd jetz ob de Jesolei, in der Rheinterrasse. Aber dat jeeht nit lang joot, wenn se misch froare, dat Mira wät sisch no ümkicke! Wenn die Usstellung vorbei ist, dann is sin Stell och fott. Dann kommt et wieder hee aanjekroche, aber dat jeehd dann ni mi, jetzt hätt dat Ursel sin Stell.« Zita stemmte die Hände in die Hüften und sah Ludwig an, als wartete sie auf Widerspruch. Ihr bleiches Gesicht war von unzähligen Pockennarben überzogen. Wie ein Blatt Papier, das nass geworden unddann wieder getrocknet war. »Schuster bliv bei din Leiste, dat is ming Meinung«, meinte sie laut, obwohl der Spruch nun wirklich nicht passte, ihre Kollegin hatte ja nicht den Beruf gewechselt, sondern nur die Anstellung.
    »Issses nich so?«, fragte sie ärgerlich. Ludwig nickte erschrocken.
    Danach gab er die Suche auf.
    Vielleicht war es die Begegnung mit dieser Zita gewesen. Die Vorstellung, dass seine Tochter genauso war – laut und gewöhnlich und pockennarbig. In diesem Fall wäre es besser, sie gar nicht erst kennenzulernen.
    Er fuhr also niemals nach Rath in den vierten Goldenen Ochsen, und er ging auch nicht in die Rheinterrasse. Stattdessen saß er Tag für Tag in seiner Dachkammer und zeichnete, und Abend für Abend fuhr er mit dem Autobus nach Düsseldorf ins Hotel Wilder Mann auf der Rethelstraße und setzte sich in die Portierloge. Er las die Düsseldorfer Nachrichten von vorn nach hinten und von hinten nach vorn und drückte ein Auge zu, wenn ein Herr mit einer auffallend geschminkten Dame hereinkam und ein Zimmer für eine Nacht verlangte. Ludwig hatte Anweisung, solche Paare wegzuschicken.
Wir sind schließlich keine Absteige
, sagte Herr Bovensiepen, dem das Hotel gehörte. Aber Ludwig schob den Herren einfach stillschweigend das Anmeldeformular zu, in das sie sich dann als Herr Müller oder Meier eintrugen und als Wohnort Wien oder München angaben. Meistens war der Raum nach einer halben Stunde auch schon wieder frei.
    Greta besuchte ihn manchmal oben in seiner Dachkammer. »Komm mit nach unten, wir sitzen alle am Feuer, du musst dich doch hier nicht so langweilen«, versuchte sie ihn am Anfang noch zu überreden, doch dann sah sie ein, dass es keinen Zweck

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