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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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viel über seine Pläne und Ziele gesprochen, aber was sie in den nächsten Monaten vorhatten, darüber hatten sie nie geredet. Vielleicht wollte Ludwig den Zirkus wirklich sofort verlassen und erwartete, dass sie mit ihm käme.
    »Wir haben doch gar kein Geld«, sagte sie laut. »Nein, wir bleiben hier.« Es ist auch sicherer so, dachte sie. Hier habe ich eine Unterkunft und ein Auskommen, wenn … Da war er wieder, der schreckliche Gedanke. »In jedem Fall werde ich dir frühzeitig Bescheid geben, wenn wir gehen, damit du dich nach einer anderen Hellseherin umsehen kannst«, fügte sie noch hinzu.
    Mirko betrachtete sie sehr aufmerksam.
    »War sie noch einmal da?«, fragte er leise.
    »Nein«, sagte Maria. »Vielleicht war es ja doch nur ein leerer Wahn, in jener Nacht.«
    »Vielleicht«, sagte Mirko, aber seine Augen sagten etwas anderes.
     
    Am 12. April kam Ludwig zurück aus Rottweil. Danach hatten sie noch drei Wochen, bevor alles zu Ende war.
    Der Frühling hatte begonnen, und die Welt war grasgrün, himmelblau, leuchtend gelb wie die Himmelschlüssel und Trollblumen an den Flussufern und die Sonne über den Bergspitzen. An ihrem letzten gemeinsamen Sonntagmorgen packten Maria und Ludwig einen Korb mit Kuchen, hart gekochten Eiern, Schinken und Wein und wanderten vom Zirkusplatz ein Stück ins Tal. Auf einer Wiese am Fluss breiteten sie eine Decke aus.
    Maria machte eine Kette aus Gänseblümchen und setzte sie Ludwig auf die dunklen Haare. Ludwig küsste sie. Sie streichelte seine Hände, die schmal und gleichzeitig sehr kräftig waren. Auf seinem rechten Handrücken waren drei winzige Leberflecken, die ihr noch nie zuvor aufgefallen waren. Sie tranken Wein, dann schlief Maria ein.
    Als sie wieder aufwachte, war Ludwig weg. Auch die Sonne war jetzt nicht mehr zu sehen, stattdessen bedeckte ein Teppich aus grauen Wolken den Himmel. Sie setzte sich auf und schlang die Arme um ihre Schultern. Ihr war kalt. »Ludwig?«, rief sie und sah sich um. Neben ihr stand der Korb mit der leeren Flasche, vor ihr war der Bach, dahinter der Wald. Ludwig antwortete nicht. Vielleicht war er ein paar Schritte gegangen und würde gleich zurückkommen.
    Sie stand auf und faltete die Decke zusammen. Es gefiel ihr nicht, dass er weggegangen war, während sie schlief, dass er sie so einsam und schutzlos zurückgelassen hatte.
    »Ludwig!«, rief sie noch einmal. Wieder keine Antwort.
    Sie würde nicht auf ihn warten, sondern zurück zum Zeltplatz gehen, beschloss sie. Als sie die Wiese fast überquert und den kleinen Pfad erreicht hatte, der durch den Wald zum Ort führte, sah sie die Gestalt unter den Bäumen. Es war nicht Ludwig, das erkannte sie sofort, und sie bekam Angst.
    »Fürchte dich nicht«, hörte sie eine Frauenstimme – eine vertraute Frauenstimme.
    »Madame Argent!«
    »Ich bin es.« Die Wahrsagerin trat aus dem Schatten der Bäume. Sie war wieder dunkel gekleidet, das Haar schwarz und glanzlos, straff aus der Stirn gekämmt.
    »Warum sind Sie gekommen? Ist es wegen Ludwig?«
    »Wegen dir und Ludwig«, sagte Madame Argent. »Du willst ihn also heiraten? Also gut. Ihr seid ein schönes Paar, und ihr liebt einander, das habe ich wohl gesehen.«
    »Aber? Deshalb sind Sie doch nicht erschienen, um mir das zu sagen!«
    »Was meinst du, warum ich gekommen bin?«
    »Er muss sterben, das ist es doch.«
    »Er muss sterben, du musst sterben, ihr müsst alle sterben. Nur ich nicht, ich habe es hinter mir.«
    »Aber Ludwig … Sein Tod steht unmittelbar bevor. Das wollen Sie mir sagen.«
    »Es ist etwas in dir, das ihm den Tod bringt.«
    »Es ist etwas in mir …? Was soll das heißen?« Marias Stimme zitterte. »Was soll ich tun?«
    »Du weißt, was du tun sollst. Geh deinen Weg, Maria.« Madame Argent lächelte sanft und mitleidig und ein bisschen spöttisch, aber gleichzeitig sah Maria, wie ihre Konturen vor dem schwarzgrünen Hintergrund der Bäume verschwammen und sich ihre Gestalt langsam auflöste.
    »Gehen Sie nicht!«, schrie sie so laut, dass die Worte durchs ganze Tal hallten. »Lassen Sie mich nicht so zurück!«
    Aber Madame Argent war schon verschwunden.
    Maria ließ die Decke und den Korb fallen und rannte los, kopflos, ziellos, immer weiter den Pfad entlang, in den Wald hinein, bis sie sich so sehr in der Wildnis verirrt hatte, dass sie niemals mehr zurückfinden würde.
    Dann wachte sie auf.
     
    Es war nicht einfach, sich von Ludwig zu trennen. Alle redetenauf Maria ein. Ob sie von Sinnen sei, ob sie den

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