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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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war das Café halb leer. Die meisten kamen gegen acht oder neun, und viele blieben dann, bis um zwei Uhr morgens geschlossen wurde. Jetzt aber war es erst kurz nach sieben. Krampeck hockte an der Bar, ein leeres Bierglas vor sich, neben ihm die Vielsen, an einem der Tische am Fenster saß Kerpenken und starrte trübsinnig durch die blinden Scheiben. Ludwig suchte sich einen Tisch an der anderen Wand. Er wollte keine Gesellschaft, er wollte Wärme und Luft, in der man einigermaßen atmen konnte, und seine Ruhe.
    Die Luft war jedoch fast genauso verraucht wie bei ihm zu Hause, auch wenn es hier an den Zigaretten lag, die die spärlichen Gäste rauchten. Sei’s drum, dachte Ludwig und zündete sich ebenfalls eine an. Als er sein Feuerzeug anschlug, drehte sich die Vielsen so weit zu ihm herum, dass sie fast vom Barhocker fiel. Er ignorierte sie einfach. Wenn er sich nur ein Buch mitgebracht hätte oder irgendetwas anderes zum Lesen, dann säße er jetzt nicht so dumm herum, als ob er darauf wartete, dass sich einer zu ihm setzte.
    »Was darf ’s denn sein?«, fragte Hulda von der Theke herüber. Sie lehnte über den Tresen, so dass man ihr durch den großzügigen Ausschnitt fast bis zum Bauch schauen konnte. Als sie seinen Blick bemerkte, richtete sie sich ein Stück auf.
    »Bulette und Bier«, bestellte Ludwig knapp, während er drei Rauchringe zur Decke blies, einer kleiner als der andere. Das waren sechzig Pfennige, viel Geld, dafür, dass er keines hatte. Aber was weg war, war weg, und wenn er kein Geld für Holz mehr hatte, brauchte er sich immerhin auch keine Gedanken mehr darüber zu machen, dass der Ofen nicht richtig zog.
    Er stippte die Bulette in Senf und trank sein Bier in kleinen Schlucken. Die Bulette schmeckte nach Sägemehl. Kurz vor acht kam Liebermann, er nahm an seinem Stammtisch am Fenster Platz, und weil Ludwigs Tisch genau gegenüber lag, begegneten sich ihre Blicke. Liebermann nickte ihm zu, dann wandteer rasch die Augen ab, als habe er etwas Unziemliches getan. Er klappte seine große schwarze Tasche auf und starrte hinein, so als suchte er etwas, aber Ludwig war sich fast sicher, dass es nur Verlegenheit war. Kurz darauf kamen die anderen, Paul Cassirer und zwei weitere, die Ludwig nicht kannte. Man trank Bier und redete leise, nur manchmal lachten alle laut, wenn Liebermann oder Cassirer einen Witz gemacht hatten.
    Das war der Künstlertisch. Daneben war der Komponistentisch, dem Paul Lincke vorsaß, wie Liebermann und Slevogt dem Künstlertisch. Victor Hollaender ließ sich hier oft sehen, Walter Kollo, der Hauskomponist des Berliner Theaters, und manchmal kam sogar Richard Strauss. Lincke kam aber immer erst gegen neun, wenn er nicht gerade dirigierte, dann erschien er gar nicht. Die Verleger hatten ihren eigenen Stammtisch und die Literaten ebenfalls, dort saß Else Lasker-Schüler wie eine Königin, die ihre Untertanen empfing, je nach Tagesform gnädig oder ungnädig. Viele der Schreiber und Dichter ertrugen sie nicht, weil sie so überspannt war, sie setzten sich also lieber zu den Komponisten oder zu den Malern oder an einen der anderen Tische.
    Es gab noch zwei, drei weitere Stammtische, die sich aber nicht auf ein bestimmtes Genre oder eine Kunstform beschränkten, stattdessen saßen hier die Schreiber, Maler, Schauspieler und Musiker, die Galeristen und Verleger bunt gemischt durcheinander. Diese Tische am Fenster stellten das so genannte Schwimmer-Bassin dar, die anderen Tische an der Wand und auf der Empore wurden Nichtschwimmer-Bassin genannt. Hier saßen die Namenlosen, die Erfolglosen, die Neidischen, die Bewunderer und die Neugierigen, die nur deshalb ins Romanische Café kamen, um einen Blick auf die exzentrische Künstlerwelt zu werfen. Genauso wie hier war es auch früher im Café des Westens gewesen, nur dass dort die Tische und Stühle sehr viel enger zusammengestanden hatten. Noch vor einem halben Jahr hatten sich dieselben Leute, die jetzt ins Romanische Café kamen, dort getroffen, ein paar Meter weiter oben am Kurfürstendamm, gegenüber der neuen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Doch dann hatte Pauly, der Wirt undBetreiber, ein weiteres Café geöffnet, ebenfalls am Kurfürstendamm, und aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte er das neue Etablissement ebenfalls
Café des Westens
genannt, ohne jedoch das erste Café zu schließen. Das war das Ende gewesen. Die Boheme, die dem Platz den Flair verliehen hatte, die seinen Ruf begründet hatte, wandte sich ab und

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