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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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fand sie in einer Trikotagenfabrik. Er arbeitete von morgens um sieben bis abends um sechs, danach brauchte er fast eine Stunde, bis er wieder am Lagerplatz am Rhein war, der außerhalb der Stadt lag. Er kam müde und schweigsam zurück, und wenn er später neben Maria ins Feldbett schlüpfte, roch er seltsam. Es war der beißende Laugengeruch der Textilfarben, der an ihm haften blieb, auch wenn er hinterher seine Finger schrubbte und die Kleider wechselte.
    Er malte so gut wie gar nicht mehr. Unter der Woche fehlte ihm die Zeit dafür und am Sonntag die Muße. »Die Arbeit frisst mich auf. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich keine Bilder mehr, nur noch schwarze Leere«, erklärte er Maria, als sie ihn danach fragte.
    Er war ein anderer Mensch – düster, still, trübsinnig. Am Anfang hatte sie den ganzen Tag auf ihn gewartet und ihn voller Freude empfangen, wenn er endlich nach Hause kam. Jetzt war sie erleichtert darüber, dass sie sich so selten sahen. »Warum gibst du die Arbeit nicht auf und suchst dir etwas anderes?«, fragte sie ihn.
    Er lachte ungläubig. »Etwas anderes? Wie stellst du dir das vor? Weißt du nicht, wie viele zurzeit auf der Straße stehen und etwas suchen, irgendetwas?«
    »Wir kommen aber doch auch so zurecht. Wir brauchen keine Miete zu zahlen, und ich habe auch noch Geld vom Sommer übrig.« Es war das Geld, das ihr Madame Argent hinterlassen hatte. Sie hatte es bisher noch nicht angerührt, weil sie mit der Wahrsagerei mehr als genug verdient hatte. Aber Ludwig wollte ohnehin nichts davon hören.
    »Soll ich dir etwa auf der Tasche liegen, faul und untätig?«, fragte er.
    »Jetzt im Winter bin ich doch auch faul und untätig. Und im Übrigen könntest du endlich wieder malen.«
    »Es kommt nicht in Frage. Es ist ja auch nur für die nächsten Wochen.«
    Dann aber entließ die Fabrik Ende Januar eine Menge Arbeiter, und Ludwig war einer von ihnen. Zu Marias Erleichterung fand er auch keine neue Stelle. Zwei Wochen lang rannte er jeden Morgen von Fabriktor zu Fabriktor, von Betrieb zu Betrieb, um sich nach Arbeit zu erkundigen. Dann fügte er sich endlich in sein Schicksal. Am nächsten Tag begann er wieder zu malen, und alles war gut.
    »Du bist nicht gemacht für die Fließbandarbeit«, flüsterte ihm Maria ins Ohr, als sie nachts nebeneinander lagen und seine Hände nach Ölfarbe rochen statt nach Textillauge. Es war das erste Mal seit Weihnachten, dass sie wieder miteinander schliefen.
     
    Anfang März, kurz bevor der Zirkus loszog, fragte er sie, ob sie ihn heiraten wollte. »Wurde ja auch langsam Zeit«, sagte Domenica spitz, als Maria beim Frühstück davon erzählte.
    »Hättet ihr euch das nicht früher überlegen können? Hier in Freiburg hattet ihr doch alle Zeit der Welt. Aber wenn wir jetzt wieder losziehen, wird es schwierig«, meinte Eva.
    Eva hatte recht. Bevor man sich verheiraten konnte, musste man beim Bürgermeisteramt das Aufgebot bestellen, das mindestens vier Wochen öffentlich angeschlagen sein musste. Und das war schwierig, weil keiner so recht wusste, wo der Zirkus in vier Wochen gastieren würde.
    »Vermutlich Rottweil«, sagte Lombardi, als Ludwig ihn fragte. »Aber es hängt natürlich davon ab, wie groß der Zulauf in den anderen Städten ist. Wenn es schlecht läuft, sind wir eher dort, und wenn es gut geht, kommen wir später.«
    Ludwig nahm sich dennoch zwei Tage frei und reiste nach Rottweil, um das Aufgebot zu bestellen.
    Abends übte Maria auf einem Bogen Papier ihre zukünftige Unterschrift. Sie füllte das ganze Blatt mit den zwei Worten.
Maria Wunder, Maria Wunder, Maria Wunder.
Dann starrte sie lange auf das Papier und fragte sich, wer das war – Maria Wunder.
    Am nächsten Tag wartete sie im Wahrsagerzelt auf Besucher, aber stattdessen kam Mirko herein und nahm auf dem Stuhl auf der anderen Seite des Tisches Platz. »Soll ich dir die Zukunft weissagen?«, spottete sie, aber er blieb ganz ernst und streckte ihr seine Hand über den Tisch, die Handfläche nach oben.
    »Unsinn, Mirko, du weißt doch, dass ich es mir nur ausdenke«, meinte sie etwas unbehaglich.
    »Ich will aber wissen, was wird«, beharrte er.
    »Was meinst du damit?«
    »Wenn du dich verheiratest, wirst du dann mit ihm gehen?«
    »Mit Ludwig?«, fragte Maria, als gäbe es noch zig andere, die ihr einen Antrag gemacht hätten.
    »Er bleibt bestimmt nicht hier. Er redet doch immer davon, dass er nach Paris will oder Berlin.«
    Maria kaute auf ihrer Unterlippe. Ludwig hatte so

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