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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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kehrte stattdessen im Romanischen Café am Auguste-Victoria-Platz ein.
    Ludwig hatte schon im Café des Westens zu den Schwimmern gehört, aber er zog es dennoch oft vor, bei den Nichtschwimmern Platz zu nehmen. Wenn er wie heute seine Ruhe haben wollte, setzte er sich an einen der namenlosen Tische und hoffte darauf, dass sich kein sensationslüsternes Ehepaar, keine kichernden Horden von Schreibdamen oder Ladenmädchen neben ihm niederlassen würden.
    Manchmal saß er auch mit anderen Malern oder mit den Musikern zusammen. Am offiziellen Malertisch saß er allerdings nie. Er mochte Max Liebermann nicht, dessen herablassende, abfällige Art allen anderen gegenüber – ganz egal ob Maler, Musiker oder Dichter, ob bekannt oder unbedeutend. Kaum zu glauben, dass derselbe Liebermann, der heute über alles und jeden bestimmen wollte, noch vor weniger als zwanzig Jahren gegen den autoritären Akademiebetrieb revoltiert hatte. Gemeinsam mit Walter Leistikow hatte er damals die Berliner Secession gegründet. Im Laufe der Jahre war die Künstlervereinigung immer größer und namhafter geworden, und inzwischen war sie genauso elitär und erstarrt wie die Vereinigungen, von denen sie sich eigentlich hatte absetzen wollen. Am schlimmsten waren die Grabenkämpfe, die sich der Vorsitzende Liebermann in den letzten Jahren mit dem Maler Emil Nolde geliefert hatte. Noldes Beschimpfungen hatten irgendwann jedes Maß verloren, so dass er schließlich von der Secession ausgeschlossen wurde. Recht so, dachte Ludwig, der den alten Nolde mit seinem religiösen Wahn und seinem Judenhass nicht mochte. Sein Streit mit Liebermann machte den Norddeutschen allerdings fast schon wieder sympathisch. Aber nur fast, dachte Ludwig, und trank den letzten Schluck Bier. Er schmeckte schal.
    »Was machst du denn hier, so trübsinnig und allein, noch dazu vor einem leeren Glas?« Max Pechstein ließ sich neben Ludwig auf einen Stuhl fallen. Er strich sich mit der Hand über das kurze schwarze Haar, dann tastete er nach der Pfeife in der Brusttasche seines Hemds.
    »Ach, es geht mir gut, fast so gut wie denen dort drüben.« Er deutete zum Künstlertisch, an dem gerade eine neue Lachsalve aufgebrandet und wieder verebbt war.
    Pechstein zog eine Augenbraue weit in die hohe Stirn. »Sind sie nicht einfach unerträglich«, sagte er halblaut. »Wie sie dem Alten hofieren und ihm um den Bart gehen.«
    Ludwig lachte, während er gleichzeitig Hulda zuwinkte, dass sie noch zwei Bier brachte. »Dennoch erzählt man sich, dass du wieder mit der Secession ausstellen willst?«
    »Erzählt man sich das?« Pechstein zog nachdenklich an seiner Pfeife, obwohl er sie noch gar nicht angezündet hatte.
    »Ist es so, oder ist es nicht so?«
    »Es mag schon stimmen.« Pechstein legte die Pfeife zerstreut neben sich auf den Tisch, während Hulda die beiden Kindl-Flaschen hinstellte. »Die Zeit der Künstlervereinigungen ist doch im Grunde genommen vorbei. Die Brücke hat sich aufgelöst, nach Kirchners hirnrissiger Vorstellung, dass man nur gemeinsam ausstellen dürfte. Und die Neue Secession ist ebenfalls praktisch am Ende, seit die Brücke-Künstler nicht mehr dabei sind.«
    »Und als Konsequenz aus dem Ganzen begibst du dich vom Regen in die Traufe und trittst der Secession wieder bei?«
    »Wer spricht denn von Beitritt?« Wieder ein nervöser Griff zur Pfeife. Diesmal stopfte Pechstein sie und zündete sie auch an. »Eine gemeinsame Ausstellung, wenn überhaupt. Mehr ist nicht vorgesehen.«
    »Wenn sie dich überhaupt zulassen und nicht wie beim letzten Mal zurückweisen.«
    Pechstein lachte, als habe Ludwig einen Witz gemacht. Vor drei Jahren waren seine Bilder bei der Frühjahrsausstellung der Berliner Secession abgelehnt worden, weil sie der Vereinigung zu wild, zu grobschlächtig, zu grell erschienen waren. Im Zugedessen hatte Pechstein zusammen mit mehreren anderen abgewiesenen Künstlern die Neue Secession gegründet, der die expressionistische Künstlervereinigung
Die Brücke
noch im selben Jahr geschlossen beigetreten war. Aber schon ein Jahr später hatte man sich wieder getrennt.
    Die Zeit der Künstlervereinigungen ist doch vorbei, hatte Pechstein gesagt. Für ihn selbst hatte sie gar nicht erst angefangen, dachte Ludwig. Er hätte sowohl in der Brücke als auch in der Neuen Secession mitmachen können, aber nach den ersten Treffen hatte er jedes Mal einen Rückzieher gemacht. Die Vereinigungen mit ihren Reglements und Vereinsstatuten waren ihm einfach zu eng,

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