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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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ihrer hellen Stimme passte. Er spürte es wieder in seinem ganzen Körper. Das ärgerte ihn so, dass er den Pinsel, mit dem er die Grundierung auftrug, fast krampfhaft umfasste. Wenn sie nur wegginge, dachte er.
    »Ich möchte Ihnen einmal meine Bilder zeigen«, sagte Lilly zu seinem Rücken.
    Er antwortete nicht.
    »Wenn Sie sie sehen wollen.«
    Er schwieg und strich weiter Grundierung an die Wand, als habe er sie nicht gehört.
    Sie räusperte sich. »Habe ich Sie gekränkt?«, fragte sie unsicher.
    »Nein«, sagte er. »Ich muss mich nur konzentrieren.« Dabei bedeckte er die vorgezeichneten Punkte, Umrisse, Figuren nur großflächig mit gelblich-weißer Grundierung, kein Vorgang, der ein Übermaß an geistiger Anstrengung erforderte.
    »Ach so«, sagte sie ruhig. Dann hörte er ihren Stuhl scharren, sie stand auf, sie wollte gehen.
    Er ließ den Pinsel in den kleinen Farbeimer fallen, den er oben an die Leiter gehängt hatte, und drehte sich zu ihr um. »Vergeben Sie mir die Unhöflichkeit. Ich war mit meinen Gedanken woanders.«
    »Bei einem Mädchen?«, fragte sie neugierig, wobei ihre grünen Augen ganz schmal wurden.
    Er hob die Achseln und ließ sie wieder fallen. Weil er so hoch über ihr stand, konnte er sehr tief in ihren Ausschnitt blicken, er sah die ganze lange dunkle Linie, an der sich ihre hellen Brüste voneinander trennten.
    »Kommen Sie«, sagte Lilly. Sie drehte sich um und verließ den Raum, ihr weißes schwingendes Kleid rauschte dabei spöttisch. Er wollte einwenden, dass er zuerst die Grundierung beenden musste, aber sie war schon weg.
    Zögernd stieg er von der Leiter. Der Vorraum war leer, und im Treppenhaus dahinter fehlte ebenfalls jede Spur von Lilly. Wo war sie hin? »Fräulein …«
Lilly
wollte er rufen, aber das hörte sich zu dämlich an, also blieb das
Fräulein
allein in der Luft hängen, als riefe er in einem Caféhaus nach der Bedienung. Er setzte vorsichtig einen Fuß ins Treppenhaus und noch einen, aber sie war weg. War sie nach oben gegangen? Sollte er ihr folgen?
    Irgendwo schien er ein leises Kichern zu hören, doch vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Er hörte Schritte auf der Treppe, kein leises Mädchentrippeln, ein fester Männerschritt, der sich rasch näherte. Ludwig nahm unwillkürlich Haltung an. Im ersten Moment wollte er sich wieder ins Entree zurückziehen, dann beschloss er, stehen zu bleiben. Er würde einfach so tun, als wollte er das Treppenhaus begutachten, dachte er. Immerhin musste er das Ganze ja bemalen.
    Der junge Castenow, Lillys Bruder, kam die Treppe herunter. Mit kerzengeradem Rücken, hoch erhobenem Kopf ging er an Ludwig vorbei, ohne ihn zu beachten. Er hätte es nicht einmal bemerkt, wenn ich Silberzeug in der Hand gehabt hätte oder eine der kostbaren chinesischen Vasen, die hier überall stehen, dachte Ludwig.
    Vermutlich gab das den Ausschlag. Mit einem Mal waren seine Unsicherheit und seine Scheu verflogen, stattdessen ärgerte er sich über den arroganten Schnösel, der ihn nicht einmal grüßte, und das freche, verzogene Stück von einer Tochter. Besonders über sie.
Kommen Sie
, hatte sie gesagt, und dann war sie einfach verschwunden, aber nun würde er sie finden.
     
    Das Treppenhaus war weiß verputzt. Die Villa war ja gerade eben erst bezogen worden, zwei, drei Wochen war das jetzt her, dennoch sah man hier und da schon schwarze Streifen an den Wänden. Wunden in der makellosen Oberfläche. Ludwig legte seine Finger in eine der Vertiefungen, während er langsam die breiten Stufen nach oben stieg. Das dunkle Holz der Treppe glänzte glatt. Wenn er seine Wandarbeiten beendet hatte, würde man die Stufen wegen der Rutschgefahr wahrscheinlich mit einem Ripsteppich bedecken.
    Oben im ersten Stock hing ein Kronleuchter von der stuckverzierten Decke. Er sah einen langen Flur, der offenbar in den Seitenflügel führte. Vier Türen, alle geschlossen, hinter jeder von ihnen konnte Lilly auf ihn warten. In dem hohen Spiegel an der gegenüberliegenden Wand erschien ein großer, dünner Mann, bartlos und recht blass, die langen Haare aus der Stirnstraff nach hinten gekämmt. Auf der rechten Wange und auf der Stirn Spritzer weißer Farbe. Ludwig hob unwillkürlich die Hand und rieb sich über die Flecken. Dann hörte er wieder das Kichern. Er fuhr herum, aber da war niemand.
    Was für ein kindisches Spiel spielten sie hier! Warum ließ er sich überhaupt darauf ein? Warum lief er diesem Gör wie ein dummer, verliebter Junge nach?
    Hast du

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