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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Rosenblatt dagegen nahm es nicht so gleichmütig hin, dass sie nun kochendheißes Wasser im Schoß und auf der Bluse hatte. Sie warf ihre Zigaretten von sich, sprang auf und schrie so laut, dass man es unten mit Sicherheit hören musste, aber auch das kümmerte Ludwig nicht, er war inzwischen zu weit von der Brüstung weg, als dass man ihn hätte sehen können.
    »Da haben Sie ja nun etwas Aufregendes, über das Sie schreiben können«, sagte er freundlich, während Hanna die Rosenblatt mit zwei Servietten gleichzeitig abrieb und dabei alles nur noch schlimmer machte. »Einen schönen Abend wünsche ich noch.« Er hörte nicht mehr, was sie ihm nachrief, weil er schon an der Wendeltreppe war.
    »Wo kommst du denn jetzt her?«, fragte Pechstein, als er unten am Tisch auftauchte. »Ich hatte dich schon fast abgeschrieben.«
    Ludwig setzte sich zwischen Paul Cassirer und einen jungen Maler aus der Akademie, dessen Namen er vergessen hatte. Nach dem Vorfall mit der Rosenblatt fühlte er sich richtig gut. Wie sie geschrien hatte, als das heiße Wasser sie getroffen hatte! Er hätte den anderen zu gerne davon erzählt, auch von dem dummen Gesicht, das sie gemacht hatte. Aber das ging natürlichnicht, dann hätte er ja auch sagen müssen, dass er oben auf der Empore gewesen war und sie alle beobachtet hatte.
    Er schwieg also und ließ seinen Blick von einem zum anderen gleiten. Man hatte zwei Tische zusammengestellt, damit alle Platz fanden, die Pechstein eingeladen hatte, und trotzdem war der Kreis so groß, dass man sich weit nach vorn beugen musste, um sein Glas abzustellen. Ob berühmt oder nicht berühmt, bis auf wenige Ausnahmen waren alle Künstler, die Pechstein kannte, chronisch klamm und ließen sich eine Einladung niemals entgehen.
    Neben Cassirer saß Heinrich Zille, den Ludwig nur vom Sehen kannte und dessen humoristische Federzeichnungen ihn immer ein wenig langweilten, trotz ihrer Sozialkritik oder vielleicht auch deswegen. Er war nach Max Liebermann der Älteste in der Runde, vielleicht war das auch der Grund dafür, dass Ludwig sich nicht für ihn interessierte, mit alten Männern konnte er wenig anfangen, besonders wenn sie einen Hang zum Predigen und Moralisieren hatten wie sein Vater.
    Dann kam Pechstein. Neben ihm saß seine Frau Charlotte, die nach ihm eingetroffen sein musste, denn vorhin war sie noch nicht da gewesen. Sie schwieg und lachte, wenn jemand etwas Lustiges sagte, und nickte, wenn jemand etwas Ernstes sagte. Danach kamen ein paar Männer und eine Frau, die Ludwig nicht kannte, und genau gegenüber von Ludwig saßen die Lasker-Schüler und ihr vierzehnjähriger Sohn Paul.
    Man redete über die Südsee und was Pechstein und seine Frau dort wohl erwarten würde. »Um das Wetter beneide ich euch am meisten«, sagte Liebermann. »Was gäbe ich darum, dieser Kälte und diesem Matsch zu entkommen.«
    »Das Wetter?« Ein großer Kerl mit geschwungenem Schnurrbart leerte sein Glas und winkte gleichzeitig dem Kellner, dass er ihm ein neues brachte. »Die Weiber dort sollen ja ganz außerordentlich sein.«
    Die Frau neben ihm lachte und schlug ihm spielerisch auf die Hand, wie einem ungezogenen Kind. Pechstein lachte ebenfalls, aber Charlotte lachte nicht. »Ach, es wird ein anderes Schaffensein als hier, das steht jedenfalls fest«, sagte Pechstein, ohne seine Frau dabei anzusehen.
    »Die Naturvölker und ihre echte künstlerische Kraft«, sagte Liebermann mit einem süffisanten Lächeln. »Du wirst ja sehen, ob das deine Arbeit wirklich so beflügelt.«
    »Ganz sicher wird es ihn beeinflussen«, meinte der Mann neben Ludwig, der Rosner hieß, jetzt erinnerte sich Ludwig wieder. »Palau wird einen ganz neuen Maler aus ihm machen.«
    »Das ist eine Lektion, die uns allen gut täte.« Der Schnurrbart nahm ein volles Bierglas in Empfang und prostete damit in die Runde. »Auf die Wildnis!«
    »Ach was, gehen Sie mir doch weg damit.« Liebermann fuhr mit der Hand über den Tisch, als könne er die Worte auf diese Weise fortwischen. »Wenn es so einfach wäre! Man setzt sich zwischen Kokospalmen und lässt sich die Sonne auf den Buckel scheinen, und schon ist man ein begnadeter Künstler!«
    »Davon redet doch keiner.« Der Ton des Schnurrbartmannes wurde auf einmal schärfer. »Es geht um das Archaische, Echte, das in dieser Urwelt zu spüren ist. Diese brutale Kraft.«
    »Brutale Kraft?«, mischte sich jetzt Zille ein. »Brutale Kraft ist für mich, wenn einer dem anderen den Schädel zertrümmert. Was

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