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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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soll das mit Kunst zu schaffen haben?«
    »Es ist lebendig, und es schreit, und es ist gut. Gewalt, ja Gewalt muss her, damit wir spüren, dass etwas passiert!«, rief Rosner voller Begeisterung.
    »Was reden Sie denn da?« Zilles rundes Gesicht über dem struppigen Vollbart verzog sich angewidert. »Gewalt und brutale Kraft und das Zertrümmern von Schädeln, das ist doch beileibe keine Kunst, sondern Barbarei …«
    »Und Barbarei ist Kunst«, unterbrach ihn Paul Cassirer und grinste dabei.
    »Ach, redest du ihnen jetzt auch nach dem Mund?«, fragte Liebermann verärgert. Cassirer hob lächelnd sein halb leeres Bierglas. »Ich bin kein Künstler, ich bin ein Förderer der Kunst«, erklärte er. »Im Übrigen geht es mir wie dir, ich neide ihm die Sonne und die halbnackten Weiber …«
    »Nun redet doch nicht so ein abscheuliches Zeug, es ist ja ganz und gar unerträglich.« Das war die Lasker-Schüler, die jetzt Cassirer unterbrach. Ludwig war immer wieder überrascht von ihrer tiefen Stimme. Sie war so zierlich und rehäugig, die Männerstimme passte einfach nicht dazu. »Und ich meine damit nicht das Geschwätz mit den Weibern. Ich kann einfach nicht verstehen, was ihr an der Gewalt so Berauschendes findet und am Töten und am Krieg. Es will mir nicht in den Kopf, warum einer dem anderen weh tun sollte.«
    »Es geht doch gar nicht ums Wehtun«, sagte der junge Mann, der neben ihr saß. Sein rundes Gesicht mit der hohen Stirn kam Ludwig bekannt vor. Er war kein Maler. Vielleicht ein Journalist wie die Rosenblatt.
    »Worum geht es denn dann?«, fragte die Lasker-Schüler, während ihr Sohn einen Schluck Limonade nahm und gelangweilt an seinen Manschettenknöpfen drehte.
    »Es ist, wie Rosner es gesagt hat. Das Gefühl, dass man lebt, dass das Blut in einem kocht. Das muss man spüren, wenn man etwas schaffen will.«
    »Aber dazu brauche ich keine Gewalt. Die Liebe ist ein ebenso starkes Gefühl wie der Hass oder die Wut, und wenn einer richtig liebt, spürt er gleichfalls, dass er am Leben ist«, gab die Else Lasker-Schüler zurück, wobei sie ihr schönes Gesicht mit den kurzen schwarzen Haaren zu dem Mann neben ihr drehte und ihn sehr eindringlich aus ihren dunklen Augen heraus ansah.
    »Wer ist der Kerl?«, flüsterte Ludwig Rosner zu.
    »Kennen Sie ihn nicht? Doktor Benn, Arzt an der Charité, Dichter und ehemaliger Liebhaber der Lasker-Schüler. Sie hat es nicht verwunden, dass er ihr den Laufpass gegeben hat. Man munkelt, dass er in Kürze heiraten will, aber nicht die Lasker-Schüler.«
    »Er ist um vieles jünger als sie«, murmelte Ludwig und ärgerte sich gleich danach über sich selbst. Was für eine bourgeoise Regung! Rosner neben ihm schien das Gleiche zu denken, jedenfalls lächelte er etwas mitleidig und schwieg.
    Ludwigs Augen wanderten zurück zu der Lasker-Schüler, die im selben Moment ihren Kopf drehte und ihn ebenfalls ansah. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass sie jedes Wort gehört hatte, das Rosner zu ihm gesagt hatte, obwohl es eigentlich unmöglich war, sie hatten so leise gesprochen, und im Saal war es so laut.
    Aber dennoch: dieser schwarze, glänzende, vorwurfsvolle Blick. Ludwig spürte, wie er rot wurde, und senkte die Augen.
    »Nun ich hoffe, dass ihr eure Sehnsucht nach der Gewalt und nach dem Barbarischen nicht allesamt teuer bezahlen müsst«, hörte er die Dichterin sagen. »Denn wenn man sie spürt am Körper und nicht nur als bloße Idee im Hirn, dann ist das eine andere Sache.«
    Ihr Satz ging in der allgemeinen Unruhe unter. Niemand schien die Worte der Lasker-Schüler gehört zu haben. Der junge Doktor Benn unterhielt sich mit dem bebrillten Herrn neben sich, Paul Lasker-Schüler bestellte ein neues Glas Limonade, denn heute ging alles auf Pechsteins Rechnung, und oben am Tisch hatte man schon das Thema gewechselt und sprach jetzt über die neue Revue der Waldoff im Chat Noir. Nur Ludwig hatte es gehört, und das gab ihm das Gefühl, als ob die Worte ausdrücklich an ihn gerichtet waren.
    Später, als sie alle aufbrachen, zog Ludwig seinen Überzieher von der Garderobe neben der Tür. Aus dem Augenwinkel sah er die Rosenblatt die Treppe herunterkommen. Er hätte erwartet, dass sie gleich nach dem Vorfall mit dem Kaffee und dem heißen Tee nach Hause gegangen wäre. Sie ist härter im Nehmen, als ich meinte, dachte er halb beeindruckt, halb abgestoßen.
    Dann vergaß er die Rosenblatt wieder, denn plötzlich war die Lasker-Schüler neben ihm. Er hatte sie zuerst gar nicht

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