Zitronentagetes
Geduld mit dir.«
Marc biss sich auf die Unterlippe und wandte sich rasch ab.
»Nur für den Fall, dass du mich brauchst – ich werde heute Nachmittag nicht hier sein«, versuchte Zimmerman, ihn auf andere Gedanken zu bringen. »In meiner Familie wird Weihnachten, das Fest der Liebe, immer ganz groß zelebriert. Meine Mutter schart wie eine Glucke alle ihre Kinder um sich.«
Marc tat ihm den Gefallen und ging darauf ein. »Verstehe. Wie viele seid ihr denn?«
»Ich habe sechs Geschwister«, erklärte Curtis freimütig.
»Sechs?«
»Wir sind eine richtige Patchworkfamilie. Mom hatte bereits drei Kinder, als sie nach der Scheidung Trevor traf – einen Witwer mit drei Töchtern. Er ist ein echt netter Typ und stets gut gelaunt, nicht mal die Mädels konnten daran etwas ändern.«
Marc lächelte ein wenig.
»Sie wollten unbedingt noch ein gemeinsames Kind und das ist ihnen außerordentlich gut geraten.«
»Lass mich kurz überlegen – das bist du.«
»Ich sage es ja, du bist ein schlauer Bursche. Jedenfalls wollte sich meine Mutter nicht damit abfinden, dass ich über Weihnachten arbeiten muss. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten kommen, sagte sie mir am Telefon. Ich wusste nicht genau, was sie damit meinte. Aber als ich gestern Abend müde nach Hause schlich, war das ganze Haus meiner Vermieter voller Zimmermans. Mom hatte alle dazu gebracht, nach St. Elwine zu fahren, um mit mir Weihnachten feiern zu können. Sie telefonierte sogar mit Jefferson, der daraufhin meinen Spät- in einen Frühdienst abänderte. Zwar ist mir die Sache ein wenig peinlich, aber dennoch … Mütter.« Curtis verdrehte gekonnt die Augen.
»Ich weiß, was du meinst. Davon kann ich ein Liedchen singen.«
»Lass mich noch mal deinen Bauch abtasten.«
Marc lehnte sich zurück.
»Weich, wie er sein soll.«
»Gratuliere zum Erfolg, Doc.«
»Gelernt ist gelernt, mein Freund. Nun werde ich rasch nachsehen, ob das Darmrohr keinen Schaden an deinem Schließmuskel hinterlassen hat.«
»Aber …«
»Keine Widerrede. Es wird der Tag kommen, an dem du mich darum anbetteln wirst.«
»Du träumst doch.«
»Sieh es einfach so: Besser ich als die hübsche Lizzy Tanner, oder? Immerhin müssen wir Männer zusammenhalten.«
»Du setzt deinen Charme überzeugend ein.«
»Ich weiß, und nun bleib locker.«
»Sieh dich ja vor.«
»Yep.«
Marc keuchte kurz auf. »Das reicht jetzt.«
»Mit deiner Prostata ist jedenfalls alles bestens.«
»Curtis, eines Tages haue ich dir aufs Maul.«
*
»Ich wünsche dir gesegnete Weihnachten, mein Junge.« Megan drückte Marc fest an sich.
Insgesamt schien es ihm besser zu gehen, doch etwas in den Tiefen seiner silbergrauen Augen, die denen seines Vaters so sehr ähnelten, versetzte sie in Alarmbereitschaft. Erneut küsste sie seine Wange, die endlich nicht mehr vom Fieber glühte.
Heute Morgen in der Kirche während der Weihnachtspredigt hatte sie Gott von Herzen gedankt, dass Marc den schrecklichen Unfall überlebt hatte. Noch vor den Feiertagen hatte sie beim Erledigen der Formalitäten bei der Autoverwertungsfirma den BMW in Augenschein genommen. Ihr war schleierhaft, wie jemand lebendig aus diesem demolierten Fahrzeug rausgekommen war. Ihr war ein kalter Schauder über das Rückgrat gekrochen. Jetzt, so beschwor sie sich im Stillen, würde alles gut werden. Sie schmiedete bereits Pläne und empfand einen seit Jahren tot geglaubten Tatendrang. Ihr Sohn brauchte sie, und sie fühlte sich wieder lebendig. »Schau, ich habe dir etwas mitgebracht. Nichts Großes … aber, du kennst mich ja.« Sie legte eine Geschenktüte auf seinem Bett ab.
»Mom …«
»Lass nur, Schatz. Mach einfach eines nach dem anderen auf.«
Zunächst kam eine hübsche Dose zum Vorschein. Als er sie öffnete, duftete es herrlich nach Vanillekipferln, den Lieblingskeksen seiner Kindheit.
»Du hast gebacken?« Ungläubig sah er sie an. Er konnte sich offenbar nicht daran erinnern, wann sie das zuletzt getan hatte.
»Schau nicht so verwundert. Es hat mir großen Spaß gemacht und immerhin haben wir Weihnachten.« Lächelnd schob sie ihm eines der Kipferl in den Mund.
»Ich hoffe, es schmeckt.«
»Köstlich.«
Als ihre hochgezogenen Brauen signalisierten, ob er noch eines wolle, nickte er. Sie wischte ihm etwas Puderzucker von den Lippen. »Genauso wie damals, als du noch klein warst.«
»Nimm dir auch eines, allein essen macht keinen Spaß.«
»Wenn du meinst. Aber
Weitere Kostenlose Bücher